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Es ist klar, dass das Rechtshülfe fordernde Gericht eben da-
durch, dass es Rechtshülfe verlangt, nicht besser gestellt sein kann,
als es gestellt wäre, wenn es der Rechtshülfe nicht bedürfte. Würde
ıhm eine Handlung versagt sein, auch wenn es (sit venia verbo)
die Eigenschaften des um die Rechtshülfe angegangenen Gerichts
besässe, so kann es ihre Vornahme auch nicht als „Rechtshülfe“
verlangen.
Aber weiter kann auch selbstverständlich das zuständige Ge-
richt sich ein anderes nur substituiren, soweit das Gesetz dies
zulässt: denn die Zuständigkeit umfasst die Vornahme aller zu-
gehörigen Thätigkeitsakte, und vollends der Grundsatz der Un-
mittelbarkeit der Beweisführung, dessen schon oben gedacht wurde,
ginge bei unbeschränkter diskretionärer Befugniss des Prozess-
gerichts in der Substitutionsmöglichkeit einfach verloren.
Wann aber ist nun die Substitution statthaft?
Das Gerichtsverfassungsgesetz nennt das Rechtshülfebegehren
ein „Ersuchen® um Rechtshülfe. Dies wird an das mit Einzel-
richtern besetzte Amtsgericht gerichtet. Die Rechtshülfe leistet
also „der ersuchte (Einzel-)Richter“, und damit sind wir zu unserem
Erstaunen in dem Gerichtsverfassungsgesetz einem aus der Civil-
prozessordnung und Strafprozessordnung wohlbekannten Institute
begegnet. Dass wir berechtigt sind, auf das Wort „Ersuchen“
in 8 158 des G.-V.-G. Gewicht zu legen, ergiebt & 327 der
C.-Pr.-O.: hier erscheinen im engen Anschluss an einander „das
Ersuchungsschreiben® an das Gericht, durch welches die Beweis-
aufnahme erfolgen soll und „der ersuchte Richter“. Was aber
für die Civilprozessordnung und damit gemäss 8 65 der K.-O.
auch für die Konkursordnung gilt, trifft auch für die Strafprozess-
ordnung zu, denn darüber ist kein Zweifel, dass die Strafprozess-
ordnung ihren „ersuchten Richter“ der Civilprozessordnung ent-
nommen hat.
„Rechtshülfe“ im Sinne des $ 157 des G.-V.-G. wird also
stets dann begehrt, wenn die Vornahme einer Handlung nachgesucht
Archiv für Öffentliches Recht. XI. 2. 17