Full text: Archiv für öffentliches Recht.Elfter Band. (11)

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Gerichtsbarkeit des Gerichtshofes des Kanzlers (Court of Chancery), 
welcher dadurch eine ähnliche Aufgabe erhielt, wie der römische 
Prätor. Ein alter englischer Jurist (Lord Bacon) spricht dies 
ausdrücklich mit folgenden Worten aus: Habeant similiter Ouriae’ 
Praetoriae potestatem tam subveniendi contra rigorem legis quam 
supplendi defectum legis. Zur Bezeichnung des Inbegrifis der 
Rechtssätze, welche im Court of Chancery zur Anwendung kamen, 
wählte man den Ausdruck „equity“, ein Ausdruck, welcher leicht 
zu Missverständnissen Veranlassung geben kann. Es ist richtig, 
dass im weitesten Sinne equity Billigkeit bedeutet, und es ist 
ferner richtig, dass der Court of Chancery bei der Ausübung 
seiner ausserordentlichen Gerichtsbarkeit Billigkeitsprinzipien be- 
rücksichtigt hat. Indessen einmal giebt es sehr viele Billigkeits- 
prinzipien, welche überhaupt nicht gerichtlich erzwungen werden, 
und sodann wurde ein anderer Theil von Billigkeitsprinzipien be- 
reits gerichtlich in England erzwungen, bevor die ausserordent- 
liche Gerichtsbarkeit des Court of Chancery zur Entstehung kam. 
Equity ist mithin zu definiren als der Inbegriff derjenigen, ge- 
richtlich erzwingbaren Billigkeitsprinzipien, welche aus rein for- 
mellen, technischen Gründen von den ordentlichen Gerichten nicht 
erzwungen wurden, und deren Erzwingung sich das ausserordent- 
liche Gericht, der Court of Chancery, zur Aufgabe machte. Den 
Gegensatz zur equity bildet law, d. h. der Inbegriff derjenigen 
Rechtssätze, welche in den ordentlichen Gerichten (Oourts of 
Law) erzwungen wurden. Wie jus civile und jus praetorium das 
römische Recht ausmachten, so bilden law und equity das eng- 
lische Recht. 
Die Unterscheidung zwischen law und equity, welche noch 
von aktueller Bedeutung ist, hat die Entwicklung des Begriffes 
„trust“ ermöglicht. Die Veranlassung gab das Verbot von Im- 
mobiliarübertragungen an religiöse Korporationen. Der katho- 
lische Klerus, welcher dieses Verbot zu umgehen wünschte, war 
mit dem römischen Recht vertraut und fand in dem fideicommissum
	        
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