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Gerichtsbarkeit des Gerichtshofes des Kanzlers (Court of Chancery),
welcher dadurch eine ähnliche Aufgabe erhielt, wie der römische
Prätor. Ein alter englischer Jurist (Lord Bacon) spricht dies
ausdrücklich mit folgenden Worten aus: Habeant similiter Ouriae’
Praetoriae potestatem tam subveniendi contra rigorem legis quam
supplendi defectum legis. Zur Bezeichnung des Inbegrifis der
Rechtssätze, welche im Court of Chancery zur Anwendung kamen,
wählte man den Ausdruck „equity“, ein Ausdruck, welcher leicht
zu Missverständnissen Veranlassung geben kann. Es ist richtig,
dass im weitesten Sinne equity Billigkeit bedeutet, und es ist
ferner richtig, dass der Court of Chancery bei der Ausübung
seiner ausserordentlichen Gerichtsbarkeit Billigkeitsprinzipien be-
rücksichtigt hat. Indessen einmal giebt es sehr viele Billigkeits-
prinzipien, welche überhaupt nicht gerichtlich erzwungen werden,
und sodann wurde ein anderer Theil von Billigkeitsprinzipien be-
reits gerichtlich in England erzwungen, bevor die ausserordent-
liche Gerichtsbarkeit des Court of Chancery zur Entstehung kam.
Equity ist mithin zu definiren als der Inbegriff derjenigen, ge-
richtlich erzwingbaren Billigkeitsprinzipien, welche aus rein for-
mellen, technischen Gründen von den ordentlichen Gerichten nicht
erzwungen wurden, und deren Erzwingung sich das ausserordent-
liche Gericht, der Court of Chancery, zur Aufgabe machte. Den
Gegensatz zur equity bildet law, d. h. der Inbegriff derjenigen
Rechtssätze, welche in den ordentlichen Gerichten (Oourts of
Law) erzwungen wurden. Wie jus civile und jus praetorium das
römische Recht ausmachten, so bilden law und equity das eng-
lische Recht.
Die Unterscheidung zwischen law und equity, welche noch
von aktueller Bedeutung ist, hat die Entwicklung des Begriffes
„trust“ ermöglicht. Die Veranlassung gab das Verbot von Im-
mobiliarübertragungen an religiöse Korporationen. Der katho-
lische Klerus, welcher dieses Verbot zu umgehen wünschte, war
mit dem römischen Recht vertraut und fand in dem fideicommissum