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zwischen Lehrgesetz im katholischen Sinne rechtlicher Bedeutungslosigkeit
nicht noch so manches in Betracht kommen könnte! Er glaubt durch diese
einfache Verneinung, wie auch aus seiner Abhandlung in Ztschr. f. prakt.
Theol. 1893 hervorgeht, die Freiheit und den Fortschritt der Lehre zu
sichern. „Seelsorgerisch“ soll von den Vorgesetzten die Erfüllung jener
Pflichten beurtheilt und nach diesem Massstab der Fehlende behandelt
werden. Ob sich damit nicht die ärgste Knebelung verbinden liesse? Eine
gute eckige Rechtsregel, ausdrücklich anerkannt oder stillschweigend gehand-
habt, ist, wie die Menschen nun einmal sind, immer noch der beste Schutz,
nicht blos der Ordnung, sondern auch der Freiheit.
Damit soll nicht gesagt sein, dass das Buch nicht auch seine grossen
Vorzüge hat. Es gibt einen guten Ueberblick mit sorgfältig gesammeltem
Material. Die einzelnen Gegenstände sind in anziehender Weise behandelt,
so dass es auch über das zunächst gewählte Publikum hinaus Interesse er-
regen wird. Nur meinen wir, es würde auch diesem ohne die absichtliche
Emanzipation von der Rechtswissenschaft vielfach klarer und werthvoller sein.
Strassburg. Otto Mayer.
Wahrmund, Die Bulle „Aeterni patris filius* und der staatliche
Einfluss auf die Papstwahlen. Mainz 1894.
Der durch seine früheren Arbeiten über das Ausschliessungsrecht (jus
exclusivae) bekannte Herr Verf. liefert in der vorliegenden, zuerst im Archiv
für kathol. Kirchenrecht, Bd. 72, S. 201ff. und dann auch in separato er-
schienenen Arbeit einen neuen Beitrag zu diesem Thema. Wie er annimmt,
ist die Bulle Aeterni patris filius unter den Papstwahlgesetzen dasjenige, aus
dem noch am meisten Anhaltspunkte für die Altersbestimmung und für die
juristische Qualifizirung des jus exclusivae zu gewinnen sind. Der Abhand-
lung liegt zu Grunde ein ziemlich reichhaltiges Quellenmaterial, welches der
Verf. im Jahre 1890 in römischen Archiven aufgefunden hat und welches er
im Auszuge abdruckt. Im Einzelnen wird Folgendes ausgeführt: In der
zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts waren es die mächtigen Papstnepoten
und die Krone von Spanien, welche in Wahrheit die Papstwahlen be-
herrschten, die beide im Kardinalskollegium über einen zahlreichen und wohl-
disziplinirten Anhang geboten. Die Papstwahlen waren kaum der Ausdruck
der freien Ueberzeugung der Wähler, sondern vielmehr das Werk einzelner
Männer, welche den Willen der übrigen Kardinäle dirigirten. Wenn nämlich
‘die Parteihäupter sich auf einen Kandidaten geeinigt hatten, wurde der etwa
widerstrebende Rest der Wähler einfach mit fortgerissen zur Adoration, dem
damals fast ausschliesslichen Wahlmodus. Den hierdurch bedingten Uebel-
ständen war nur abzuhelfen durch Abschaffung des Adorationsmodus und
Ersetzung desselben durch das geheime Scrutinium, welches die Abstimmung
des Einzelnen der Kontrole der Führer entzog und jedem Wähler gestattete,
unbeaufsichtigt nach seinem Gutdünken zu votiren. In der That wurde im