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holten amtlichen Erklärungen der bayerischen und württembergi-
schen Regierung „als derjenigen Regierungen, welche die Reichs-
verfassung auf Grund der Verträge angenommen haben“, sind
jedem Versuch, zum Einheitsstaate (durch verantwortliche Reichs-
ministerien) zu gelangen, entschieden entgegengetreten.
Insbesondere wird von dieser Seite die HÄneEusche Doktrin,
welche die sog. Reservatrechte zu Privilegien gegenüber einer zu
ihrer einseitigen Aufhebung berechtigten, souveränen Gewalt
stempelt und diesen Sonderrechten nur einen moralischen
Schutz zusichert, nur entschiedene Ablehnung erfahren. LABAND
hat u. E. richtig ausgeführt, dass in dieser Auffassung HÄnELs
der fundamentale Irrtum seiner Deduktion sich offenbare?.
Ohne auf diese, auch unserer Auffassung widersprechenden
Ergebnisse des Hänxerıschen Staatsrechtswerkes näher einzugehen,
soll vorerst seine klar durchdachte Untersuchung über die Reichs-
gewalt und deren Organisation geprüft werden, wobei wir im all-
gemeinen unser Einverständnis hinsichtlich seiner speziellen Aus-
scheidung der Zuständigkeiten zwischen Reich und Einzelnstaaten
erklären.
HäÄneEL, der mit Recht hervorhebt, dass die rechtliche Be-
trachtung der zentralen und dezentralisierten Gewalten und ihres
Wechselverhältnisses einseitig sei, und dass das Wesen des Bundes-
staates seine ergänzende Bestimmung aus der Organisation ge-
winien müsse, sagt über die Organisation des Reiches: „Wie bei
jeder Korporation, deren Organe ihre Rechte und Pflichten nicht
aus der Rechtssphäre oder Stellung der Mitglieder — sondern wie
die Mitglieder in ihrer eigenen Rechtsstellung — unmittelbar aus
.der korporativen Verfassung selbst ableiten, so steht auch im
Reiche, dessen Mitglieder neben den Einzelnstaaten die
Staatsangehörigen sind, die Reichsgewalt ausschliesslich den
verfassungsmässigen Organen des Reiches zu; denn nicht die Ge-
® LaBanD, Das Staatsrecht des Deutschen Reiches, 3. Aufl., 1895, S. 107.
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