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Dieser Auffassung ist nur HrnseL?® gefolgt, der den Vor-
sitz im Bundesrat als Recht des Reichskanzlers in seiner Eigen-
schaft als kaiserlicher Beamter und Chef der Reichsverwaltung,
nicht als Recht Preussens bezeichnet; die übrigen Staatsrechts-
lehrer? haben die Lösung des Widerspruches mit durchschlagen-
den Gründen in dem als verfassungsmässig erklärtem Satze
gesucht, dass der Reichskanzler, der Präsident des Bundes-
rates, zugleich preussischer Bevollmächtigter und als
solcher stimmberechtigtes Mitglied des Bundesrates
sein muss, da der Kaiser als solcher in keiner Weise im Bundes-
rate vertreten oder thätig sein könne.
Die soeben erwähnte BısmAarcksche Aeusserung steht mit
seiner sonstigen Darlegung in Widerspruch; diese Worte sind
— nach dem Zusammenhange der Rede — nur daraus zu er-
klären, dass der Redner gegenüber den andauernden Versuchen,
Bestimmungen der Verfassung, deren Ausführung unmöglich sei,
zu ändern, hervorheben wollte?®, was in der Verfassung stehe, sei
einstweilen auch möglich, und man müsse darnach verfahren, und
dass er diesen Satz an der Stellung des Reichskanzlers im Bundes-
rate exemplifizierte. In dieser Abwehr ist die Ausführung des
Redners zu formell und nicht glücklich geworden; sie widerspricht
namentlich seinem (3 Tage vorher gemachten) Bekenntnisse *®,
dass der Versuch, die Reichskanzlerschaft vom preussischen
Ministerpräsidenten zu trennen, vollständig misslungen und es
sogar notwendig gewesen sei, die Vorstände der einzelnen Reichs-
”® Annalen 1882, S. 12 u. 24. HensetLs Bezugnahme auf die Bekannt-
machung 1867, worin der Kanzler als Bundesratsbevollmächtigter nicht ge-
nannt ist, ist hinfällig; diese Stellung nahm man als selbstverständlich ; Bıs-
MARCK hat auch damals thatsächlich die preussischen Stimmen abgegeben.
24 LABAnD a. a. O. 1207, 241, 334 und Literaturangabe, Häneu a... 0.
II S. 251; Sevyoper a. a. O. S. 124; Fischer 8. 145.
35 [Jjeber Bismarcks wiederholte Warnungen vor Verfassungsänderungen ;
H. Kour, IV S. 94, VI S.128, VIL 8. 46.
2 H. Konr, VII S. 34.