— 339 —
und nur 25 preussische Anträge (Gesetzesvorlagen?) eingebracht
worden sind.
Unter Bezugnahme auf diese Veröffentlichung (ohne Quellen-
angabe zitiert) und aus ähnlichen Erwägungen über die Aus-
arbeitung der Entwürfe behauptet auch FıscHer*°, der die Ver-
fassungsbestimmung an sich vollständig richtig auslegt, dass nach
einer feststehenden Praxis der Kaiser als solcher die Initiative zu
(sesetzesentwürfen im Bundesrate gewonnen habe, und dass diese
vom Bundesrate wie vom Reichstage stillschweigend anerkannt
worden sei.
Diese selbständige Initiative des Kaisers, bezw. des Reichs-
kanzlers als des obersten Reichsbeamten, wurde in den letzten
Jahren in zwei besonders markanten Fällen (Finanz- und Militär-
fragen) auch vom Reichskanzler in Anspruch genommen unter
Umgehung des preussischen Ministeriums bezw. der Ressortminister,
da Reichskanzler CAPrıvı nur als Minister der auswärtigen An-
gelegenheiten dem preussischen Staatsministerium angehörte, mit-
hin nach der preussischen Ministerialverfassung nicht der zu-
ständige Minister war. Hieran hat sich eine ausgedehnte Er-
örterung dieser staatsrechtlichen Frage in der Presse geknüpft *'.,
Die Bedeutung der behaupteten Initiative des Reichs-
kanzlers in der Gesetzgebung liegt nun darin, dass das
preussische Ministerium von der Prüfung und Genehmigung der
betreffenden sog. kaiserlichen oder Präsidialvorlage ausgeschlossen,
ihm die Instruktion der preussischen Bundesratsbevollmächtigten
für solche Vorlagen entzogen, und die Verantwortung für solche
(Gresetzentwürfe nicht das preussische Ministerium vor dem preussi-
schen Landtage (namentlich nicht, wenn der Kanzler dem preussi-
schen Ministerium, wie nach der herrschenden Lehre zulässig,
# a. a. 0. S. 150.
#1 Vgl. u.a. Münchner Allg. Zeitung 1893, Nr. 227 (Reichschatzsekretär),
Nr. 232 u. 234 (Reichsregierung), Hamburger Nachrichten (Koar, Jahrbuch I
S. 342, 352, 383, 389).