8 —
Wie wir später sehen werden, greifen die Thätigkeiten des Ad-
vokaten und des Prokurator vielfach in einander über. Die Pro-
kuratoren machen, ja dies in der Gegenwart vorzugsweise ®, schrift-
liche Rechtsausführungen und begründen, meist in kleineren Sachen,
Parteiansprüche mündlich vor Gericht”. Sie üben in diesem Falle
advokatorische Funktionen aus.
Der juristische Charakter der Advokatur wird bestimmt
durch das Verhältnis des Advokaten zu seinem Klienten.
Dasselbe ist ein reines Schutzverhältniss. Daraus ergibt sich
seine Unentgeltlichkeit. Die Thätigkeit des Advokaten beruht
nicht auf einem Mandat, das auch seinem Wesen nach unent-
geltlich ist. Durch das Mandat wird der Mandatar vom Willen
des Mandanten abhängig. Es wird daher der Charakter des Man-
dats ausdrücklich von den Advokaten für ihre Funktionen ab-
gelehnt. Aus der Unentgeltlichkeit des advokatorischen Schutzes
ergiebt sich, dass in Frankreich und in England die Advo-
katen ein Honorar weder fordern, noch bei Strafe des Ausschlusses
° In England sind für besonders schwierige Schriftsätze die Special
Pleaders aufgestellt, welche zu deu Advokaten zählen. In Frankreich
waren durch Tit. XXXI, Art. 10 der Ordonnance civile von 1667 ganz be-
stimmte Schriftsätze den Advokaten zugewiesen. Diese Bestimmung wurde
jedoch vom code de procedure civile nicht recipiert, so dass die Prokuratoren
jetzt alle Schriftsätze anfertigen. Eine Ausnahme bilden die Kassations-
schriften, die von den Advokaten des Kassationshofes gefertigt werden, die
auch als Prokuratoren fungiren.
” In England plaidieren sie vor den Grafschaftsgerichten, in gewissen
Fällen im High Court und sofern es sich um Konkursangelegenheiten
handelt, im Bureau des Richters. In Frankreich treten von Einzel-
gerichten zur Zeit weder Advokaten noch Prokuratoren auf, die Vertretung
ruht’ dort ausschliesslich in den Händen der Geschäftsagenten. Dies dürfte
sich allerdings nach Erhebung der Entwürfe über die Erweiterung der
Kompetenz der Friedensgerichte und des neuen Code de procedure civile zu
Gesetzen ändern, welche am 17. März und 5. Mai 1894 der Kammer vor-
gelegt wurden, wonach die Kompetenz derselben bedeutend erweitert
wurde. Vor Kollegialgerichten, die sich an Orten befinden, wo keine
Advokaten sind, plaidieren die Prokuratoren die ihnen übertragenen Prozesse.