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In der Prozessführung selbst ist die Thätigkeit des Advokaten
gleichfalls eine wissenschaftliche, wenngleich naturgemäss eine ein-
seitige. Denn mit dem oft so mühsamen Herbeischaffen des zur
Prozessführung nöthigen Materials befasst sich der Advokat nicht.
Dies überlässt er dem Prokurator!!. Der Advokat gibt bloss
die hierzu nöthigen Direktiven und nimmt etwaige Ergänzungen
Ausbildung des Kandidaten erfolgt bei einem Advokaten, wofür & 50 zu
entrichten sind. Da die englischen Advokaten sich nur wenig mit schrift-
lichen Arbeiten beschäftigen, so ist ein Missbrauch der Kandidaten
zu Schreibarbeiten nicht zu befürchten. Es findet vielmehr ein
wirkliches Unterrichten statt, indem der Advokat mit dem jungen Mann
den Prozess bespricht und ihn zum Studium des Falles anhält. In
Frankreich werden die jungen Juristen, welche sich der Advokatur
widmen wollen, nach Absolvirung eines dreijährigen Kurses auf den Rechts-
schulen in das Barreau als avocats stagiaires aufgenommen. Als solche
dürfen sie plaidieren; Denkschriften (m&moires) aber nur mit einem älteren
Advokaten unterzeichnen, was übrigens gegenwärtig nur selten vorkommt.
In Paris, wo 6—700 Stagiaire sich befinden, sind dieselben zum Zwecke
ihrer Ausbildung in Kolonnen eingetheilt, an deren Spitze ältere Advokaten
stehen, die von aus Stagiairen bestehenden Sekretären unterstützt werden.
Diese Kolonnen versammeln sich zweimal im Jahr, wo ausschliesslich
Standesfragen besprochen werden. Ausserdem versammelt der Vor-
sitzende der Advokatenkorporation (Bätonnier genannt, weil er in den
Zeiten des ancien regime bei den Prozessionen die Stange vorantrug, an
welcher die Fahne der von den Advokaten und Prokuratoren gebildeten
Bruderschaft zum heiligen Nikolaus und der heiligen Katharina befestigt
war) alle Woche einmal die Stagiaire im Bibliothekzimmer des Barreaus,
in Konferenzen, wo Rechtsfragen erörtert und Disputirübungen abgehalten
werden und deren Besuch obligatorisch ist, Am Anfange eines jeden Ge-
richtsjahres werden die Konferenzen durch eine Ansprache des Batonnier
(discours des bätonnat genannt) eröffnet, an welche sich zwei Vorträge von
Sekretären der Kolonnen schliessen. Der eine dieser Vorträge muss eine
Lobrede auf einen verstorbenen hervorragenden Juristen enthalten, wie denn
auch der Bätonnier in seiner Ansprache mit Vorliebe auf leuchtende Vor-
bilder des Standes aus der Vergangenheit hinweist. In Belgien finden
ebenfalls Konferenzen der Stagiaire statt. Doch sind dieselben nur ein
schwacher Abklatsch der Pariser. Deren Besuch ist nicht obligatorisch, und
es fehlt die Kolonneneintheilung,
tı! In Strafsachen sammeln in Frankreich die Advokaten selbst
das Material, in England besorgen auch dies die Prokuratoren. Sie be-