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Allerdings wäre es, da die Gesetzgebungs- und also auch
Verordnungsbefugniss des Reiches in Eisenbahnangelegenheiten
keine ausschliessliche ist, auch statthaft gewesen, dass die Einzel-
staaten selbst Uebereinstimmung und Gleichheit unter ihren Eisen-
bahnbetriebs-(Verkehrs-) und Eisenbahnpolizei-Reglements herbei-
geführt hätten. Da indess die Einzelregierungen Jahre lang nach
dieser Richtung hin unthätig blieben, so durfte und musste das
Reich den vorbeschriebenen Weg einschlagen, für welchen auch
die praktische Zweckmässigkeit und insbesondere die dem Reiche
obliegende Pflicht sprechen, für die Durchführung der Verfassung
zumal in einem Falle zu sorgen, wo die „thunlichste Beschleuni-
gung“ und die Sorge für die Durchführung in der Verfassung
selbst befohlen worden sind.
Vorstehendes ist die Ansicht aller Bundesregierungen ge-
wesen, welche einmüthig im Bundesrathe die erwähnten Regle-
ments beschlossen. Es war aber auch die Ansicht des Nord-
deutschen Reichstages, da dieser in der Resolution vom 5. Mai 1869
(Sten. Ber. Bd. II S. 828) den Erlass der Reglements von Reichs-
wegen und durch den Bundesrath forderte. So sagte u. A. der
Abg. LaAsKEr:
„Darauf kommt es an, dass überhaupt der Bundesrath
das thun will, was in der Sache zu wünschen ist.“
Uebrigens war man sich bei den Bahnpolizeireglements,
die „gleiche“ sein sollten, von Anfang an darüber klar, dass
der Bund die Sache unmittelbar in die Hand nehmen sollte. In
Betreff der Bahnbetriebsreglements ersetzte man „gleiche“
durch „übereinstimmende*, weil — wie der Antragsteller MicHAELISs
(Sten.-Ber. des verfassungberathenden Reichstages 1867 8. 504)
sagte — in „dem Augenblicke, wo Sie dem Bunde das Recht
beilegen, gleiche Betriebsreglements einzuführen und aufrecht zu
erhalten, resp. was dasselbe ist, aufzuerlegen, der Verkehr
der Eisenbahnen unter Gleichen aufhört“. Für den Erlass der
Betriebsreglements wollte man allen Regierungen zunächst die