— 421 —
Art. 84 der Verf.-Urk. bilde. Der scheinbar so einfache und klar
gefasste Art. 84 veranlasste eine Reihe von Streitfragen!.
Man stritt zunächst über die Bedeutung der Worte „wäh-
rend der Dauer des Landtags“. Einige vertraten die Ansicht,
der Ausdruck deute auf die Zeit von der ersten landesherrlichen
Einberufung bis zur Schliessung oder Auflösung, oder den Zeitraum
von dem Tage des ersten Zusammentretens bis zur Schliessung
oder Auflösung. Andere hielten die vorläufige Uonstituirung oder
doch die feierliche Eröffnung für den Beginn entscheidend nur
erblickten den Endpunkt in jeder längeren Vertagung. Endlich
machte sich die Ansicht geltend, die Immunität bestehe und
während der Dauer der Sitzungsperiode. Man stritt ferner über
die Bedeutung der Worte: „Keiner Art von Arrest.“ Einige
meinten, Arrest begreife alle Arten von Haft, andere schlossen
die Strafhaft aus.
Auch der Ausdruck „unterworfen“ bildete einen Streitpunkt;
die Ansichten waren darüber getheilt, ob während der kritischen
Zeit eine Verhaftung nicht vollzogen werden dürfe oder aber auch
eine vorher vollzogene Verhaftung nicht fortdauern könne. Endlich
nahm man das Recht der Kammer in Anspruch, die Freilassung
eines auf frischer That ergriffenen und verhafteten Abgeordneten
zu verlangen. Der Standpunkt der Regierung und einer Anzahi Ab-
geordneter war: Die Unverletzlichkeit der Abgeordneten ist nur für
die Dauer der Sitzungsperiode statuirt, der vor der Sitzungsperiode
Verhaftete hat selbst für diese Zeit kein Recht auf Entlassung
aus dieser Haft und die Kammer kann auch die Freilassung des
bei Begehung der That Verhafteten für die Zeit der wirklichen
Sitzungen nicht fordern. — Später (1865) sprach sich die Re-
gierung sogar dahin aus, dass sie schon die Verhandlungen der
Kammer über Freigabe als einen ungerechtfertigten Eingriff gegen
1 Vgl. über die nachfolgende Darstellung den Ausschussbericht in Beil.
Nr. 1336 zu den Verhandlungen der II. hess. Kammer, XX’V. Landtag (1885/88),
S. 8f.
Archiv für Öffentliches Recht. XI. 3. 28