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V. Es würde dadurch wohl auch erreicht werden, dass auch
die ausserhessischen deutschen Gerichte den hessischen Immuni-
täten die Anerkennung nicht versagen. Keineswegs kann un-
bedingt zugegeben werden, dass für die nichthessischen Behörden
lie Immunität hessischer Ständemitglieder gar nicht existire.
Wir haben in Deutschland nunmehr ein einheitliches Process-
recht, dieses Processrecht respectirt ausdrücklich innerhalb der
von Ziffer 1 des $ 6 aufgestellten Schranken die processrecht-
lichen Vorschriften der Landesverfassungen; für die Durchführung
der Einheit des Rechts in strafrechtlicher und strafprocessualer
Beziehung auf dem als ein einheitliches Rechtsgebiet aufzufassen-
den Reichsgebiete ist die Respectirung der Verfassungsgrundsätze
der Einzelstaaten durch alle deutschen Gerichte geradezu Voraus-
setzung. —
Wir sind der Meinung, dass der Öonflict, zu dessen Ent-
scheidung schliesslich und äussersten Falls auf Art. 76 der Reichs-
Verf. recurrirt werden könnte, sicher vermieden werden wird,
wenn die Immunität hessischer Ständemitglieder in Uebereinstim-
mung mit den ausser Zweifel gestellten Bestimmungen des Reichs-
rechts festgestellt wird®.
Auf Grund dieses Referats schloss sich die I. Kammer ein-
stimmig dem oben erwähnten Beschlusse der II. Kammer auf
Neuregelung der Immunitäten der Abgeordneten an”.
Die Regierung legte nun unterm 15. Mai 1889 folgenden Ge-
setzesentwurf vor: Einziger Artikel. An Stelle des Art. 48 der Verf.-
Urk. treten nachstehende Bestimmungen: „Mitglieder der Stände-
versammlung können nach erfolgter Einberufung des Landtages
während der Dauer desselben und insolange er nach Massgabe der
Art.57 und 58 der Gesch.-Ord. nicht vertagt, aufgelöst oder ge-
schlossen ist, ohne Genehmigung der Kammer, welcher sie an-
gehören, nicht zur Untersuchung gezogen oder in Untersuchungs-
® Verh. I. Kammer, 25. Landtag (1885/88), Beil. Nr. 93.
” Prot. d. I. Kammer, 25. Landtag, 14. Sitzung d. d. 27. April 1887.