— 18 —
dass jeder Rechtsanwalt vor jedem (Gerichte die Parteirechte aus-
führen kann; ja sie ist noch weiter gegangen, indem sie sogar die
Uebertragung der Prozessvollmacht seitens des bei dem Prozess-
gerichte zugelassenen Rechtsanwaltes auf den fremden Rechts-
anwalt gestattete, $ 24 Abs. 2 l. c. Die rheinpreussische Sitte
aber, dass der Rechtsanwalt seine Advokaturthätigkeit freiwillig
auf das Gericht seiner Zulassung beschränke, hat sich im Reiche
nicht eingebürgert, so sehr dies auch im Interesse eines gedeih-
lichen Prozessverfahrens liegen würde.
1I. Der Rechtsanwalt, welcher die Geschäfte des Prokurators
und des Advokaten besorgt, ist weder das Eine noch das Andere
allein. Es ist daher völlig unrichtig, wenn PRrIscHL a. a. O.S. 265
in demselben nur einen Prokurator mit Plaidierbefugniss erblickt.
Auch die Rechtsanwaltschaft ist ein freier Beruf, auf
welchen die Grundsätze über das Mandat nicht ohne Weiteres
Anwendung finden?®. Der Rechtsanwalt ist bei Ausübung seiner
Funktionen, soweit seine prozessuale Thätigkeit in Betracht kommt,
keineswegs abhängig von dem Willen der Partei. Es steht völlig
in seinem Ermessen, wie er den Prozess führen und welche
Akte erin demselben vornehmen will. Darum ist auch die Prozess-
vollmacht der Reichscivilprozessordnung weitergehend, als das
römisch-rechtliche Mandat. Nach 8 77 der ©.-P.-O. „ermächtigt
die Prozessvollmacht zu allen den Rechtstreit betreffenden Prozess-
handlungen, einschliesslich derjenigen, welche durch eine Wider-
klage, eine Wiederaufnahme des Verfahrens und die Zwangsvoll-
streckung veranlasst werden, zur Bestellung eines Vertreters sowie
eines Bevollmächtigten für die höheren Instanzen; zur Beseiti-
gung des Rechtsstreites durch Vergleich, Verzicht-
9° Vgl. hierzu LÖwEnreLD in den Gutachten aus dem Anwaltstande
über die erste Lesung des bürgerlichen Gesetzbuches. Berlin 1890, S. 858
bis 982 insbes. 8. 882ff.; derselbe, Inaestimabilität und Honorierung der
äctes liberales nach römischem Recht in der Festgabe der Münchener
Juristenfakultät zu v. Prank’s Doktorjubiläum (1887) 8. 387 ff., 464 ff: