Full text: Archiv für öffentliches Recht.Elfter Band. (11)

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Streit herrscht endlich über die Frage, ob die Immunität der 
Abgeordneten nur innerhalb des Landes, dessen Abgeordneten 
sie sind, respectirt werden müsse oder ausserhalb desselben. 
Prof. GArEıs bekämpft die herrschende Meinung, welche die 
Immunität auf das Land beschränkt?®. Es lässt sich dagegen 
geltend machen: Die hessische Verfassung hat nur territoriale 
Bedeutung. Das in Art. 84 enthaltene strafprocessuale Verfahren 
ist nur für Hessen gegeben. Nichthessische Behörden sind nicht 
einmal berechtigt, die in Art. 84 gegebenen Processvorschriften 
in ihrem Lande anzuwenden. 
Zum Schlusse sei die Frage berührt, welche Mittel der 
Ständekammer bei Verletzung des Art. 84 der Verf.-Urk. zu- 
stehen. In der Verfassung selbst fehlt die Regulirung des Ver- 
fahrens bei einem Streit zwischen Landständen und Regierung 
über die Auslegung einzelner Bestimmungen der Verfassung. Da 
Niemand Richter seiner eigenen Sache sein soll, wird eine solche 
Entscheidung weder den Ständen noch der Regierung zustehen 
können. Dies ist auch die Ansicht des Staatsrechtslehrers 
ZACHARIÄ, Bd. I S. 582. Unanwendbar sind jedenfalls die Be- 
stimmungen über die Verantwortlichkeit der Minister und obersten 
Staatsbehörden, welche sich gegen beabsichtigte Verfassungs- 
verletzungen richten, da bei Streitfragen vorliegender Art von 
einer Absicht der Verletzung verfassungsmässiger Bestimmungen 
nicht die Rede sein kann. Bisher handelte es sich nur um Fälle, 
in welchen eine Behörde (Gericht) innerhalb ihrer Zuständigkeit 
bona fide den Art. 84 der Ver.-Urk. in einer Weise auslegte, 
wofür sie strafrechtlich oder disziplinar nicht verantwortlich, wo- 
bei sie aber mit der Auffassung der Kammer über Auslegung 
und Anwendung jener Bestimmungen in Widerspruch gerieth. 
Im Jahre 1850 stellte sich die II. Kammer auf den Standpunkt, 
die Entscheidung über die Frage der Zulässigkeit der Verhaftung 
  
2® Aufsatz von Prof. GAreEıs in Bd. VII der Zeitschrift für die gesammte 
Strafrechtswissenschaft (1887 S. 633 ff.).
	        
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