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stratur ist Ueberfluss an Kräften vorhanden, weil heutzutage sich
wieder mehr Leute zum Studieren drängen. Würde der numerus
clausus eingeführt, so entstünde sofort innerhalb der Staatsdienst-
aspiranten eine Stauung. Statt des zu Viel an Rechtsanwälten,
gebe es ein zu Viel an Ässessoren und — an Anwaltskonzi-
pienten. Nun gab gerade der Umstand, dass die Juristen in
dem arbeitsfähigsten Alter keine befriedigende Lebensstellung
hatten und in Folge dessen tüchtige Kräfte verkümmern mussten,
den nächsten Anstoss zur freien Advokatur. An Stelle des von
Manchen befürchteten Advokatenproletariats, käme eben ein Kon-
zipientenproletariat *!, was gewiss ebenso bedenklich wäre.
2. Die Vorstufe der Konzipientenschaft,
Wie bereits erwähnt wurde, gab das Konzipientenwesen,
das besonders in Bayern und Oesterreich blühte, mit den An-
stoss zur Einführung der freien Advokatur. Als noch in diesen
Ländern die Advokatur einen geschlossenen Stand bildete, lag
die Hauptarbeitslast auf den Schultern der meist schlecht be-
zahlten Konzipienten, während die Anwälte selbst sich vielfach
mit Politik und Verwaltungsgeschäften befassten. Das Ansehen
und der Ruf des Anwalts hieng von der Zahl der Konzipienten
ab. Sie machten den Anwalt, nicht die persönliche Tüchtigkeit
des Letzteren. Dass diese Zustände unhaltbar waren, liegt auf
der Hand*?. Trotzdem hat in Oesterreich die freie Advokatur
des Konzipientenwesen nicht zu überwinden vermocht. Nur in-
soferne ist eine Besserung eingetreten, als der Advokaturs-
kandidat nicht mehr 12—14.Jahre warten musste — so lange
dauerte es bis eine -Stelle frei wurde — sondern sechs Jahre ge-
nügen. Die Beibehaltung des Konzipientenwesens soll nach
#41 JaquEs a.a. 0.8. 17TE.
#2 Vgl. darüber Herzoa, Reform der Advokatur. Wien 1868, 8.7.
Prischu a. a. O. S. 175ff.