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seits die That für strafwürdig zu halten braucht. Dieser Ansicht
möchten wir indess nicht folgen, ebenso wenig wie derjenigen,
welche die Vollstreckung allgemein bei Uebertretungen, gleich-
gültig ob auf Geldstrafe oder Haft erkannt ist, ohne Rücksicht
auf die Strafbarkeit im ersuchten Staate zulassen will. In den
einzelnen Ländern sind allerdings die Polizeidelikte sehr ver-
schiedener Natur und wird deshalb in manchen Fällen eine Voll-
streckung nicht möglich sein, wenn man eine gleichlautende in-
ländische Strafnorm fordern will. Man denke nur an unsere in
Folge der neueren sozialen Gesetzgebung, die im Auslande noch
nicht eingeführt ist, aufgestellten Strafnormen. Indess Betteln,
Landstreichen u. dgl. sind wohl überall strafbar. Schlimmsten-
falls wird man auf die Vollstreckung der wegen Uebertretungen
erkannten Strafen wegen ihrer geringfügigen Natur wohl ver-
zichten können. Wegen Uebertretungen wird aus demselben
Grunde auch nicht ausgeliefert.
Ein Verzicht auf das Prinzip der identischen Norm wird in-
dess in Verträgen zwischen benachbarten Staaten bei Forst-, Feld-,
Fischerei- und Jagdfreveln, welche in den Grenzbezirken verübt
werden, ausgesprochen werden müssen. Von Zoll- und Steuer-
defraudationen wird dasselbe zu gelten haben. Diese Ausnahme ist
im Interesse des Grenzschutzes und des Grenzverkehrs nothwendig.
Um vollstreckt zu werden, muss das ausländische Urtheil
rechtskräftig, d. h. durch ordentliche Rechtsmittel nicht mehr
anfechtbar sein. Ob ausserordentliche Rechtsmittel z. B. Wieder-
aufnahme des Verfahrens zulässig sind, ist gleichgültig. Mass-
gebend ist hier lediglich das Prozessrecht des ersuchenden Staates,
Auch muss das Urtheil auf Grund kontradiktorischen Verfahrens
ergangen sein. Bei in contumaciaın Verurtheilten, der einem nur
Beschuldigten gleichzustellen ist, kann Vollstreckung nicht statt-
finden. Jedoch wird sich der Mangel durch Befragung des Be-
schuldigten, was er denn gegen das Urtheil einwenden wolle,
sowie daraufhin ergehende Entscheidung des ausländischen Spruch-