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jederzeit zu ändern. Die 2. Kammer lehnte diese grundsätzlichen
Aenderungen ab und scheiterte auch diesmal das Gesetz an den
Meinungsverschiedenheiten der beiden Ständekammern !°,
Im Nov. 1878 erschien der dritte Gesetzentwurf, wörtlich
mit dem vorherigen übereinstimmend. Auch diesmal betonten
die Motive die Nothwendigkeit des Grundsatzes der rechtlichen
Unwirksamkeit von Verträgen über die religiöse Erziehung der
Kinder. Die 1. Kammer nahm den Grundsatz der Gültigkeit
und Klagbarkeit an, woran das Gresetz scheiterte!!. Weitere
Gesetzesvorlagen sind seitdem nicht erfolgt.
Bei diesem Stande der Gesetzgebung gilt in den Provinzen
Oberhessen und Starkenburg für die konfessionelle Erziehung
der Kinder das gemeine Recht, in Rheinhessen die Bestimmung
des französischen Rechtes, soweit nicht die Verordnung von 1826
bezüglich der Kinder aus gemischten Ehen Anwendung findet.
Die Pflicht und das Recht zur Erziehung überhaupt und zur
religiösen Erziehung, als Ausfluss jenes Rechtes, steht nach
gemeinem Recht an sich den Eltern gemeinschaftlich zu, während
der Dauer der Ehe jedoch in erster Linie dem Vater als Haupt
der Familie. Nach der Auflösung der Ehe durch den Tod
verbleibt das Recht dem überlebenden Theil, nach dem Tode des
Vaters jedoch nur insoweit, als der Vater nicht andererseits be-
stimmt hat. Auch bei Lebzeiten beider Eltern kann diesen
bezw. dem Vater das Erziehungsrecht abgesprochen werden (z. B.
auf Grund des Gesetzes vom 11. Juni 1887 über die Zwangs-
1° 8, SchMmipot, 1. c. S. 415, 416. Verhandlungen des 22. Landtages,
2. Kammer, Prot. No. 60, 79, Beil. 1, 1. Kammer, Prot. 20, 22, Beil.
No. 163, |
11 Verhandlung des 23. Landtages, 2. Kammer, Prot. No. 28, 47;
Beil. 21—23. 1. Kammer, Prot. 10, 15, Beil. No. 61.
12 Bezüglich Hrssen’s vgl. Erkenntniss des Oberamtsgerichts zu Darm-
stadt vom 24. Juni 1845, Seuffert’s Archiv xXV, 83. Aufsatz in Zeitschrift
für Staats- und Gemeindeverwaltung im Grossherzogthum Hessen, Jahrg. XV,
S. 186. B