Full text: Archiv für öffentliches Recht.Elfter Band. (11)

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lichen Kindes berechtigt, dasselbe in der Religion erziehen zu 
lassen, in welcher sie will. Die katholische Mutter kann ihr 
Kind evangelisch erziehen lassen oder umgekehrt!’. Nach er- 
reichtem 14. Lebensjahr (sog. Diskretionsalter) steht in beiden 
Rechtsgebieten dem Kinde auch gegenüber den Eltern die Wahl 
der Konfession jederzeit frei. 
Praktisch tritt die Frage der religiösen Erziehung der 
Kinder auf dem Gebiete des öffentlichen Schulunterrichtes, einem 
wichtigen Theile des Erziehungswesens, hervor. Das Gesetz über 
das hessische Volksschulwesen vom 16. Juni 1874 bezeichnet die 
religiös-sittliche Bildung der Jugend als eine wesentliche Aufgabe 
der Volksschule (Art. 1). Der Religionsunterricht nimmt darum 
unter den obligatorischen Lehrgegenständen der Schule eine her- 
vorragende Stelle ein (Art. 12); er wird (neben deutscher Sprache 
Lesen, Rechnen und Schreiben) zu den „wesentlicheren Unterrichts- 
gegenständen® gerechnet, bezüglich derer bestimmt ist, dass 
Kinder, welche bis zum Schluss des achten Schuljahres das 
Ziel der Volksschule nicht erreicht haben, auf Anordnung der 
Kreis-Schulkommission die Schule noch ein Jahr länger zu be- 
suchen haben (Art. 21). Die Regel bildet in Hessen die für die 
Kinder sämmtlicher Angehöriger einer politischen Gemeinde be- 
stimmte gemeinsame Schule (Art. 4). Der Religionsunterricht 
ist überall konfessionell (Art. 4 Abs. 4), die Vorbereitung der 
Volksschullehrer für ihren Beruf umfasst auch ihre Aufgabe als 
Religionslehrer, in vielen Gemeinden ertheilen die Geistlichen eine 
bestimmte Anzahl von Religionsstunden. Die Kinder sind nicht 
verbunden an einem ihnen fremden Religionsunterricht Theil zu 
nehmen; sind Kinder vorhanden, in deren Religion an der be- 
treffenden Schule kein Unterricht ertheilt wird, so sind die Eltern 
oder deren Stellvertreter verpflichtet dafür zu sorgen, dass sie 
Religionsunterricht erhalten (Art. 19 Abs. 2). Die Kinder von 
Personen, welche sich zu keiner Religionsgemeinschaft bekennen, 
15 8, Zeitschrift für Staats- wnd Gemeindeverwaltung 1. c. 8. 185, 186.
	        
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