Full text: Archiv für öffentliches Recht.Elfter Band. (11)

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Erfahrungsgemäss hat die Fassung der Gesetzesstelle bei ihrer 
praktischen Handhabung zu grossen Unzuträglichkeiten geführt. 
Die in Arbeiterkreisen vielfach angetroffene Erscheinung, dass die 
durch eine rechtsgültige Ehe verbundenen Ehegatten, sei es ein- 
seitig, sei es in Folge gegenseitigen Einverständnisses die dauernde 
Lebensgemeinschaft lösen und ungeachtet des geschlossenen Ehe- 
bundes jeder seinen eigenen Weg gehend sich um einander gar 
nicht mehr kümmern, im Gegentheile sogar neue Verbindungen 
eingehen, welchen zur Ehe nur die nichterreichbare Abschluss- 
form fehlt, hat in der Praxis der als Träger der Unfallversiche- 
rung errichteten Berufsgenossenschaften vielfach dahin geführt, 
dass Personen entschädigt werden mussten, welche während der 
Lebenszeit des Betriebsgetödteten von diesem gar keinen Unter- 
halt erhielten also durch dessen Ableben auch keinen Vermögens- 
nachtheil erlitten, während unentschädigt bleiben mussten die 
seine Fürsorge und Unterhaltsgewährung geniessenden in einer 
sogenannten wilden Ehe mit ihm lebenden weiblichen Personen 
sowie daraus hervorgegangenen Kinder. Während bei bestehen- 
der Ehe die verlassenen Ehefrauen sich über den Verbleib und 
die Lebensweise ihres Ehemannes Erkundigungen einzuziehen 
keinen Anlass fanden und ebenso wenig ihre Lebensweise dem- 
entsprechend einzurichten sich verpflichtet hielten, treten sie mit 
Ansprüchen hervor, sobald ihnen der Tod desselben bekannt wurde. 
In der Mehrzahl dieser Fälle pflegten, statistisch nachweisbar, 
auch Ansprüche für Kinder erhoben zu werden, deren Zeugung 
in eine Zeit fällt, während welcher der angetraute Ehegatte mit 
ihnen fleischlich nicht verkehrt haben konnte, so dass sie aus 
einem ehebrecherischen Geschlechtsumgange hervorgegangen sein 
mussten. Dass dadurch der leitende Grundgedanke der Unfall- 
versicherung verletzt wurde, welcher bloss eine Schadloshaltung 
derjenigen Personen im Auge hatte, die durch den Tod ihres 
Ernährers beraubt wurden, welchen mithin diejenige Unterhalts- 
gewähr entzogen oder doch wesentlich verkümmert ist, deren 
sie bisher theilhaftig waren, ist zwar sowohl in der Rechts- 
sprechung wie in der Rechtswissenschaft bisher stets anerkannt 
gewesen, allein es gab kein Mittel, diesem Seitens des Gesetz-
	        
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