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Erfahrungsgemäss hat die Fassung der Gesetzesstelle bei ihrer
praktischen Handhabung zu grossen Unzuträglichkeiten geführt.
Die in Arbeiterkreisen vielfach angetroffene Erscheinung, dass die
durch eine rechtsgültige Ehe verbundenen Ehegatten, sei es ein-
seitig, sei es in Folge gegenseitigen Einverständnisses die dauernde
Lebensgemeinschaft lösen und ungeachtet des geschlossenen Ehe-
bundes jeder seinen eigenen Weg gehend sich um einander gar
nicht mehr kümmern, im Gegentheile sogar neue Verbindungen
eingehen, welchen zur Ehe nur die nichterreichbare Abschluss-
form fehlt, hat in der Praxis der als Träger der Unfallversiche-
rung errichteten Berufsgenossenschaften vielfach dahin geführt,
dass Personen entschädigt werden mussten, welche während der
Lebenszeit des Betriebsgetödteten von diesem gar keinen Unter-
halt erhielten also durch dessen Ableben auch keinen Vermögens-
nachtheil erlitten, während unentschädigt bleiben mussten die
seine Fürsorge und Unterhaltsgewährung geniessenden in einer
sogenannten wilden Ehe mit ihm lebenden weiblichen Personen
sowie daraus hervorgegangenen Kinder. Während bei bestehen-
der Ehe die verlassenen Ehefrauen sich über den Verbleib und
die Lebensweise ihres Ehemannes Erkundigungen einzuziehen
keinen Anlass fanden und ebenso wenig ihre Lebensweise dem-
entsprechend einzurichten sich verpflichtet hielten, treten sie mit
Ansprüchen hervor, sobald ihnen der Tod desselben bekannt wurde.
In der Mehrzahl dieser Fälle pflegten, statistisch nachweisbar,
auch Ansprüche für Kinder erhoben zu werden, deren Zeugung
in eine Zeit fällt, während welcher der angetraute Ehegatte mit
ihnen fleischlich nicht verkehrt haben konnte, so dass sie aus
einem ehebrecherischen Geschlechtsumgange hervorgegangen sein
mussten. Dass dadurch der leitende Grundgedanke der Unfall-
versicherung verletzt wurde, welcher bloss eine Schadloshaltung
derjenigen Personen im Auge hatte, die durch den Tod ihres
Ernährers beraubt wurden, welchen mithin diejenige Unterhalts-
gewähr entzogen oder doch wesentlich verkümmert ist, deren
sie bisher theilhaftig waren, ist zwar sowohl in der Rechts-
sprechung wie in der Rechtswissenschaft bisher stets anerkannt
gewesen, allein es gab kein Mittel, diesem Seitens des Gesetz-