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Kaiser-, Würde“ ziehen. — So richtig der Grundgedanke dieser Schrift ist, die
eigenartige Vormachtstellung Preussens herauszuheben gegenüber jenen
Theorien, welche die prinzipielle Gleichberechtigung aller Bundesstaaten be-
haupten, so wird der Verfasser dieser „Studie* doch an eine tiefergehende,
überzeugendere Entwickelung seines Leitsatzes gehen müssen, um denselben
für die Theorie des Reichsstaatsrechtes fruchtbar zu machen.
Augsburg. Grassmann.
Werner Rosenberg, Staatsanwalt in Metz. Die staatsrechtliche Stellung
von Elsass-Lothringen. Metz, G. Scriba 1896. 708. gr.8. 1,60 Mk.
Eine staatsrechtliche Streitfrage, welche das Actenzeichen „1871“ trägt
und immer noch nicht erledigt ist, hat der Verfasser aufgegriffen und zum
Gegenstand einer interessanten Bearbeitung gemacht. Seinen Beruf als
„ministre public“ nicht verleugnend, hat er als Staatsanwalt für den
„Staat“ Elsass-Lothringen plädirt und ist dabei zu folgender Ansicht gelangt:
„Elsass-Lothringen ist ein Vasallenstaat des Deutschen Reiches, dessen
Herrscher in Folge von Personalunion auch Herrscher des Deutschen Reiches
ist.“ Die Argumentation des Verfassers leidet zunächst an der Unrichtigkeit
der Prämisse, als bestünden in Elsass-Lothringen zwei verschiedene, prinzipiell
von einander getrennte Staatsgewalten. Dass die Staatsgewalt, welche den
verbündeten Staaten von Frankreich übertragen wurde, gerade eine „Landes-
staatsgewalt“ im Gegensatz zur „Reichsgewalt“ gewesen sein soll, ist in
keiner Weise ersichtlich und auch nicht vom Verfasser bewiesen. Die im
Präliminarfriedensvertrag völkerrechtlich konstituirte und durch das Ver-
einigungsgesetz staatsrechtlich zum Ausdruck gebrachte „souverainete* mag
man wohl in objektiver Hinsicht Landesstaatsgewalt, in subjektiver Hin-
sicht jedoch als dem Reich zustehend Reichsgewalt nennen. Es ist daher
unzutreffend, wenn RosEnBERG behauptet, diese sog. „Landesstaatsgewalt“
sei älter als die „Reichsgewalt“, „welche erst durch die Einführung der Reichs-
verfassung begründet sei“. Eine nochmalige besondere Konstituirung der
Reichsgewalt hat nicht stattgefunden, am allerwenigsten aber durch die Ein-
führung der Reichsverfassung. Diese führt nur eine Aenderung der Grund-
sätze bezüglich der Handhabung der Staatsgewalt, nicht aber der Staats-
gewalt selbst, herbei. Ebensowenig wie neben der Reichsgewalt noch eine
besonders abgezweigte Landesstaatsgewalt, ist das Vorhandensein eines be-
sonderen Staates Elsass-Lothringen neben der Zugehörigkeit desselben zum
Reich durch irgend welchen Akt dokumentirt. Es genügt doch nicht ein-
fach, ein Gebilde unter das Schema „abgegrenztes, von Menschen bewohntes
Gebiet, einem Herrscherwillen unterstellt — Staat“ zu 'subsumiren, und
daraus die Existenz eines Staates abzuleiten. Der Herrscherwille, ein Staats-
gebiet zu beherrschen — der animus possidendi des Privatrechts — muss
doch thatsächlich vorhanden und in irgend einem Willensakte der Herrscher
zum‘ Ausdruck gebracht sein, um von staatsrechtlich relevanter Bedeutung