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das Amt zu erfüllen? Dem Waisenrathe kann auf Grund
seiner Beobachtungen auf das Deutlichste vor der Seele stehen,
was im gegebenen Falle und zwar rasch zu geschehen habe,
er muss in Folge der Halbheit seiner Stellung ruhig mit an-
sehen, wie auf die erstattete Anzeige hin die nutzbare Zeit
vergeht und schliesslich vielleicht gar in Folge missverständ-
licher Auffassung seiner Anregungen, sei es durch das Vor-
mundschaftsgericht, sei es durch den nicht von ihm instruirten
Vormund, etwas ganz Anderes herauskommt, als das von ihm
Beabsichtigte und für nothwendig Erachtete. Eine einzige
solche Erfahrung ist dazu angethan, die Hingabe an das
Amt von Grund aus zu zerstören und dieses für immer zu
verleiden“.
Sind also die mit dem Institut der Waisenräthe bis jetzt
gemachten Erfahrungen noch sehr fraglicher Natur, so wird man
mir es wohl nicht als eine partikularistische Schrulle und Vor-
eingenommenheit auslegen, wenn ich ihm gegenüber als Verthei-
diger einer auf das gleiche Ziel lossteuernden Einrichtung auf-
trete, welche sich durch die Verhältnisse angeregt und gefördert
zunächst in Leipzig herausgebildet und von da aus bereits auf
eine grössere Anzabl sächsischer Städte verbreitet hat. Ich
meine damit die Uebertragung vormundschaftlicher Befugnisse
an die Armen- bezw. Gemeindebehörden.
Wenn ich es unternehme, den Lesern dieser Zeitschrift eine
Darlegung unserer Einrichtungen zu geben, so meine ich am
zweckmässigsten zu verfahren, wenn ich bei meiner Darlegung
den zeitlichen Gang einhalte, den die Einrichtung genommen hat,
weil daraus die geehrten Leser am besten ersehen können, wie
die Sache sich entwickelt hat, und weil sie an der Hand dieser
Entwicklung die Ueberzeugung zu gewinnen vermögen, dass sie
es nicht mit einem am grünen Tische ausgeklügelten Projekte,
sondern, wie schon gesagt, mit einer Einrichtug zu thun haben,
die aus dem Bedürfnisse und den Verhältnissen emporgestiegen