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dieser eine begrenzte Selbständigkeit zu gewähren. In der Inter-
essenvertretung und ihrer prozessordnungsgemäss sich vor den Ge-
richten entfaltenden Thätigkeit liegt das Prozessrechtsverhältnis,
das sich an das Strafrechtsverhältnis anschliesst und zu dessen
rechtlicher Lösung zu führen bestimmt ist. Gericht und Prozess-
beteiligte haben darin gesetzlich geordnete Rechte und Pflichten;
letztere sind den staatlichen Organen (Staatsanwaltschaft und Ge-
richte) durch das Legalitätsprinzip für jeden Straffall geboten
und ihr Prozessbetrieb wird durch die Offizialmaxime geleitet
und äussert sich im wesentlichen in der Form der Untersuchung;
neben dieser vorzugsweise in der Hand der Gerichte steht der
Staatsanwaltschaft und der Verteidigung die freie Antragstellung
mit Begründung in Rede und Gegenrede (Kontradiktionen) zu,
um die richterliche Thätigkeit nach beiden Seiten der sich
gegenüberstehenden Interessenvertretung hin zu unterstützen
und zu ergänzen — immer aber nur nach Massgabe des
Gesetzes, über dessen Beachtung die Gerichte zu wachen
haben, wie dies im Parteiinteresse jedem Vertreter eines solchen
frei steht.
8 2.
Die Ausführungen HEInzEs in dem erwähnten Aufsatz: „Dis-
positionsprinzip und Öffizialprinzip, Verhandlungsform und Unter-
suchungsform, insbesondere im Strafprozess“ sind für die Doktrin
und Gesetzgebungsmaterialien seit 1876 grundlegend geworden.
Hiernach bedeutet für die heutige Auffassung jede gesetzliche
Androhung einer öffentlichen Strafe erstens, dass die darin an-
gedrohte Rechtsfolge mit ihrem Inhalt und in ihrer Ausdehnung
unabhängig ist von dem auf Mehrung, Minderung oder Aende-
rung gerichteten Willen der Beteiligten; zweitens, dass das Ein-
schreiten der staatlichen Organe der Strafrechtspflege dem Be-
lieben der Beteiligten entzogen ist, denn das Strafgesetz ist eine
lex perfecta in dem Sinne, dass nicht nur sein Inhalt unabänder-