— 100 —
schauungen einer grösseren Zahl der Amtsgenossen und wohl
auch anderer Beamten der Justizverwaltung ab. Die Annahme
einer begründeten Abneigung gegen den staatsanwaltschaftlichen
Beruf in seiner gegenwärtigen Erscheiuung sei in dem unterschieds-
los aufgestellten Strafverfolgungsprinzip, in seiner kahlen All-
gemeinheit, was das Verständnis für das Amt des Staatsanwalts
erschwere, zu suchen, da die Strafprozessordnung ihm befehle,
abgesehen von den Fällen der Beleidigung und gewissen Körper-
verletzungem, sich jeder Prüfurtg vor Einleitung eines jeden Ver-
fahrens, ob in der That das Interesse des Staates, dessen An-
walt er doch sei, sein Einschreiten erheische, zu enthalten und
stets, sei es aus eigener Initiative, sei es auf den dispositiven
Antrag des Verletzten, den Apparat des Strafprozesses in Thätig-
keit zu setzen, sobald nur eine Strafanzeige, gleichviel welchen
Inhalts, an ihn gelange. Das Gesetz gebiete ihm, anstatt ihm
die Machtvollkommenbheit zur Prüfung, ob sein Einschreiten von
dem Vorhandensein eines öffentlichen Interesses geboten sei, zu
verleihen, nur zu prüfen, ob der vorgetragene Thatbestand in das
leblose Formular eines Parapraphen des Strafkodexes passe, wo-
durch das auf den Gehalt gehende Rechtsgefühl nicht befriedigt
werde, wenn auch die Sicherheit einer formalen Gleichheit
in der Behandlung aller Strafanzeigen erreicht werde.
Dr. DAmmE erwartete von der durch ein Gesetz in die Hand der
Staatsanwaltschaft gelegten Prüfung, ob ein öffentliches Interesse
zum Einschreiten vorliege, dass diese Behörde „mit mehr Würde
und Vornehmheit umgeben werden würde“. Das war wenigstens
ein aufrichtiges Motiven- und Zweckbekenntnis. Das Rechtsgefühl
eines Staatsanwalts ist jedoch keineswegs dasselbe wie es in der
Gesellschaft verallgemeinert zu finden ist. In dieser gilt die
„Sicherheit einer formalen Gleichheit“ vor dem Strafgesetz gegen
Willkür und Interessenberücksichtigung als Grundforderung
einer vertrauenerweckenden Strafrechtspflege mehr als „das auf den
Gehalt gehende Rechtsgefühl“ der Strafvollziehungsorgane. Nichts