Full text: Archiv für öffentliches Recht.Zwölfter Band. (12)

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Parteien unbegrenzt freie; jedoch ein sog. Prorogationsprozess 
als ein ausserhalb der gesetzlichen Formen laufendes, von den 
Beteiligten mit dem Gericht vereinbartes Abkürzungsverfahren, 
ist ausgeschlossen und die freie Verfügung über die prozessua- 
lische Mitwirkung nach Zweckmässigkeitsrücksichten oder blosser, 
unbegründeter Willkür kann im Zivilprozess nur soweit Platz 
greifen, als die Prozessgesetzgebung dafür Spielraum lässt. Das- 
selbe gilt in erhöhtem Masse für den Strafprozess, welcher meist 
der Willkür entzogene Ordnungsregeln enthält; die Zweckmässig- 
keit kann vorzugsweise da, wo das richterliche Ermessen vom 
Gesetz als frei, ausserhalb der Gesetzesschranken stehend, an- 
erkannt ist, für die Entschliessungen massgebend oder mitwirkend 
sein, wie z. B. bei der Wahl des Gerichtsstandes in $$ 7 und 8, 
12—14, 19 und 183 St.-P.-O. u. a. m., auch meistens da, wo 
das Gesetz die Ermächtigungsform in dem Wort „kann“ ge- 
braucht, also nicht verpflichtend gebietet. 
Der erwähnte Gegensatz tritt vorzugsweise bei der richter- 
lichen Prüfung und Abwägung hervor und hier zeigt sich bei 
dem einen Richter die Neigung zur Berücksichtigung der Zweck- 
mässigkeit vor der strengen Gesetzmässigkeit, und umgekehrt, als 
vorherrschend; „der Sache ihr Recht angedeihen zu lassen“ ist 
sicher ein nicht zu verwerfender Grundsatz einer sog. individuellen 
Rechtspflege, welche die ausgleichende Billigkeit — aequitas — 
mit in die Wagschale der Themis werfen möchte; aber er deutet 
schon mehr auf die Herstellung des objektiven Rechts in dem 
von den Parteien klar gestellten Prozessrechts- und materiellen 
Rechtsverhältnis, während infolge der Parteiverfügung die aus dem 
Prozess hervorgegangene Sachlage für den Richter sich so ver- 
hält, dass er formell daran gebunden sein muss, gegen seine ab- 
weichende Ueberzeugung von der objektiven Sachlage und von der 
daran zu schliessenden Rechtsregelung. Hier kommt er, beson- 
ders bei der Beweiswürdigung, leicht in die Lage, der Legalität 
in der Bedeutung objektiver Rechtsgeltung zur Herrschaft ver-
	        
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