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Regelung‘. Die Geltung des Legalitätsprinzips für das Straf-
verfahren nebst der Offizialmaxime für die amtliche Thätigkeit der
staatlichen Organe beruht darin einzig und allein auf der Natur
und dem Wesen des Gegenstandes, um welchen sich das Ver-
fahren bewegt: des Strafgesetzes. Bınpıing, Die Normen und
ihre Uebertretung, Aufl. 1 Bd. I 8. 13 hat überzeugend nach-
gewiesen, wie die „Leitung“ der Landesjustizverwaltung in der
Strafrechtspfiege durch die Staatsanwaltschaft dem Wesen und
der Bedeutung des Strafgesetzes widerspricht, wie sie die Um-
gehung des Legalitätsprinzips und dessen Unterordnung unter das
Opportunitätsprinzip bedeute. Der Vollzug der Strafgesetze ist
eine Staatspflicht an erster Stelle, eine Berechtigung im Einzel-
falle an zweiter: Niemand anders als der zur Bestrafung Berufene
ist derjenige, welchem der Befehl in dem Strafgesetz gilt (Strafe
soll in dem eingetretenen Strafrechtsverhältnis, unter der betref-
fenden Thatbestandsvoraussetzung sein), der dieses erlassende
Staat selbst. Durch ihn soll nach der Verfassung die Straf-
rechtspflege regelmässig, unter Beachtung der gesetzlichen Aus-
nahmen, zum Vollzug des übertretenen Strafgesetzes betrieben
werden. „Verbietet das Gesetz die Bestrafung einer Handlung,
so erklärt der Staat sich selbst für nicht berechtigt zur Straf-
verhängung“ — daher auch nicht für verpflichtet. „Ferner spricht
das Gesetz den Staatswillen dahin aus: es sei eine rechtliche Not-
wendigkeit, dass das Verbrechen von der ihm gedrohten Strafe
betroffen werde, mit anderen Worten: Der zur Strafe Berechtigte
sei zur Bestrafung überhaupt und nach Massgabe des Gesetzes
verpflichtet. Der Strafberechtigte ist niemand anders als der
Staat. Das Strafgesetz gegen den Hochverrat oder die Fälschung
sagt also nichts anderes als: Ich, der Staat, erkenne die Ver-
pflichtung an, dies Verbrechen zu strafen; der Verbrecher muss
von mir mit der angedrohten und darf mit keiner anderen Strafe
° Dr. Verus jun, „Macht und Recht im konstitutionellen Staate*,
Heusers Verlag, 1893, $. 26.