Aufsätze,
Das Bürgerliche Gesetzbuch und die bayerischen
Reservatrechte.
Von
Amtsgerichtsrath JASTROW in Berlin.
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I.
Vor einigen Jahren machten mehrere Fälle die Runde durch
die Zeitungen, in denen bayerische Staatsangehörige ausserhalb
Bayerns geheirathet hatten, ohne dass das nach dem bayerischen
Gesetze vom 16. April 1868 erforderliche Zeugniss über das
Nichtvorhandensein von Ehehindernissen beigebracht worden wäre!
ı Das citirte Gesetz „über Heimath, Verehelichung und Aufenthalt“
(Gesetzbl. f. d. Königreich Bayern 1868 S. 357) bestimmt in den Art. 32 ff.
für das rechtsrheinische Bayern, dass die Verehelichung nur erfolgen darf,
auf Grund eines Zeugnisses der Distriktsverwaltungsbehörde, dass gegen die
beabsichtigte Eheschliessung „kein im gegenwärtigen Gesetz begründetes
Hinderniss besteht“. Der Ausstellung des Attestes geht eine Prüfung einer-
seits der Militärdienstpflicht und bei Beamten des dienstlichen Consenses,
andererseits des Vorhandenseins civilrechtlicher Ehehindernisse sowie ein
Aufgebot voraus. Das letztere dient sowohl zur Ermittelung civilrechtlicher
Hindernisse als zum Einspruch Seitens der Heimathgemeinde des Mannes,
welcher erhoben werden kann, wenn der Mann eine Verbrechens- oder Ver-
gehensstrafe abzubüssen hat oder sich dieserhalb in Untersuchung befindet,
wenn er in den letzten drei Jahren öffentliche Armenunterstützung be-
ansprucht oder erhalten hat oder mit Leistungen gegen die Gemeinde- oder
Armenkasse im Rückstande ist, oder wenn er unter Kuratel. steht. Ueber
Archiv für öffentliches Recht. XII. 1. 1