— 142 —
Frage nach dem Erlöschen dieser besonderen Normen ist nur im
Vorbeigehen erörtert worden. Auch diese Punkte bedürfen aber
einmal sorgfältiger Untersuchung.
Der Staatsvertrag als völkerrechtliches Rechtsgeschäft kann
und soll immer nur von den kontrahierenden Staaten selbst er-
füllt werden. Die übernommene völkerrechtliche Verbindlichkeit
geht aber häufig dahin, dass jeder der beiden Teile bestimmte
staatsrechtliche Normen erlasse und durchführe. Von den Be-
stimmungen der einzelnen Staatsverfassung und dem Inhalte des
Vertrages hängt es ab, ob diese Normen im Wege des (Gesetzes
oder der Verordnung zu erlassen sind. Hiervon abgesehen ist eine
zwiefache Art der Durchführung möglich: es ergeht entweder
eine Ausführungsverordnung, bezw. ein Ausführungsgesetz, welche
formell von dem Vertrage gänzlich losgelöst sind, oder der Ver-
tragstext selbst wird als Gesetz, bezw. Verordnung verkündet. Im
Folgenden sollen nur diejenigen Fälle in Betracht gezogen wer-
den, in welchen der Vertragstext als Staatsgesetz publiziert wurde;
dabei wird dieses Gesetz zum Unterschied von gewöhnlichen Ge-
setzen als Vertragsgesetz bezeichnet werden.
I. Die Entstehung des Vertragsgesetzes,
Nach Art. 11 der Reichsverfassung hat der Kaiser das Reich
völkerrechtlich zu vertreten, im Namen des Reichs Krieg zu er-
klären und Frieden zu schliessen, Bündnisse und andere Verträge
mit fremden Staaten einzugehen, Gesandte zu beglaubigen und
zu empfangen. Insoweit die Verträge mit fremden Staaten sich
auf solche Gegenstände beziehen, welche nach Art. 4 in den Be-
reich der Reichsgesetzgebung gehören, ist zu ihrem Abschluss die
Zustimmung des Bundesrates und zu ihrer Gültigkeit die Genehmi-
gung des Reichstages erforderlich.
Wie allgemein angenommen wird, kommt das Vertragsgesetz
auf dem nämlichen Wege zu staüde, wie jedes andere Reichs-
gesetz. „Die Reichsgesetzgebung wird ausgeübt durch den Bundes-