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beider Fälle zeigt deutlich, dass die Vergleichung nicht sehr
glücklich ist; man wird bis auf weiteres nicht geneigt sein, diese
Lehre LABANDs anzunehmen.
Welche Bedeutung hat nun die Willenserklärung des Kaisers?
(sorıus bemerkt: „Der Bundesrat ist bei internationaler Vertrags-
schliessung seitens des Reichs eigentlich Kontrahent und wird nur
formell durch den Kaiser in einheitlicher Weise völkerrechtlich
vertreten. Damit diese Vertretung eine gültige sei, muss der
Bundesrat durch Mehrheitsbeschluss der anwesenden Mitglieder
(Art. 7) seine Zustimmung zum Abschluss (sc. des Vertrages
selbst) gegeben haben“!°. Wenn der Bundesrat eigentlich Kon-
trahent ist und nur formell durch den Kaiser vertreten wird, so ist
letzterer wohl gar nicht als Reichsorgan bei der Vertragsschliessung
thätig? Es kommt dann wohl auf seinen Willen überhaupt nicht,
sondern nur auf den des Bundesrats an? Der Vertreter erklärt
nicht seinen Willen, sondern den des Vertretenen. Das Staatsorgan
aber erzeugt durch seinen eigenen Willen Staatswillen!!. Der
(sorıus’schen Bemerkung ist indessen Folgendes entgegenzuhalten:
erstens ist weder der Bundesrat noch der Kaiser eigentlich Kon-
trahent eines seitens des Reiches geschlossenen Staatsvertrages;
dieser eigentliche Kontrahent ist niemand anders als das Deutsche
Reich selbst. Zweitens ist der Bundesrat kein nur formell durch
den Kaiser vertretenes völkerrechtliches Organ des Deutschen
Reiches, sondern der Kaiser selbst nimmt diese Stellung ein.
Unserer Ansicht nach ist der Bundesrat für andere Staaten
überhaupt nicht vorhanden, hat Art. 11 Abs. 2 und 3 der
Reichsverfassung nur staatsrechtliche Bedeutung". Darauf
kommt es jedoch jetzt nicht an. Der Kaiser wäre selbst dann
10 Gorıus, Das Vertragsrecht des Deutschen Reiches, Hirths Annalen
1875, S. 587.
11 JELLINEK, System der subjektiven öffentlichen Rechte, Freiburg i.B.
1892, S. 218.
12 HEıLBoRN, Das System des Völkerrechts entwickelt aus den völker-
rechtlichen Begriffen, Berlin 1896, S.: 143—164.