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die Ausfertigung des Vertragsgesetzes ist aber der zweite dieser
Befehle bedingt; und die Bedingung besteht darin, dass zunächst
die Auswechselung der Ratifikationen stattfinden muss. Man mag
dem Reichskanzler Vorwürfe darüber machen, dass er die Original-
urkunde des Vertragsgesetzes ins Ausland gehen lasse. Unzweifel-
haft ist aber die vom Kaiser ausgefertigte Urkunde zugleich Ver-
trag und Vertragsgesetz. Die Gültigkeit des letzteren ist gewiss
nicht von dem Verbleib der Urkunde abhängig, sonst würden alle
Reichsgesetze hinfällig, wenn ein Brand die Originalurkunden
einmal zerstören sollte.“
Die bisher befolgte Praxis könnte jedoch aufgegeben werden.
Der Kaiser entschliesst sich vielleicht dazu, die Ratifikation des
Vertrages und die Ausfertigung des Vertragsgesetzes fortan in
zwei verschiedenen Akten vorzunehmen, zu dem Zwecke zwei
Urkunden zu unterzeichnen. Dann wird die Ratifikation des
Vertrages naturgemäss der Ausfertigung des Vertragsgesetzes
vorangehen, weil das Zustandekommen des letzteren von dem
des ersteren bedingt ist. In diesem Falle wäre die Ausfertigung
des Vertragsgesetzes allerdings Pflicht des Kaisers. Der Grund
hierfür ist aber nicht die Uebereinstimmung der Beschlüsse von
Bundesrat und Reichstag, sondern die bereits abgegebene Willens-
erklärung des Kaisers.
Wir nähern uns somit der Theorie, welche Zorn früher
vertreten, jetzt aber aufgegeben hat. Es ist deshalb der von
JELLINEK erhobene Einwand zu würdigen. Wir führen seine
Worte zunächst noch einmal an: „Die Ratifikation ist... der
Akt, durch welchen der Staat den Vertrag schliesst und insofern
hat ZoRN recht, die Ratifikation der Verträge mit der Sanktion
der Gesetze in Parallele zu stellen. Ganz unrichtig ist es je-
doch, wenn er in der Ratifikation den nach innen das Recht
konstituirenden Imperativ, den Gesetzesbefehl, welcher den Staats-
angehörigen die Beobachtung des Vertrages befiehlt, erblickt.
Es giebt Verträge, deren Inhalt sich nur an die Staatsgewalt