Full text: Archiv für öffentliches Recht.Zwölfter Band. (12)

— 155 — 
wendet, die nur die Staatsgewalt binden können, so dass ein 
Imperativ an die Staatsangehörigen gar nicht einmal möglich ist. 
Ein Beispiel einer solchen nur auf der Staatsgewalt lastenden 
Verpflichtung ist erst neuerlich wieder in der internationalen 
Konvention vom 18. September 1878, Massregeln gegen die Reb- 
laus betreffend, enthalten. Hier heisst im Art. 1: ‚Les Etats 
contractants s’engagent ä& completer, s’ils ne l’ont dejä fait, leur 
legislation interieure en vue d’assurer une action commune et 
efficace contre introduction et la propagation du Phylloxera.‘ 
An welche Staatsangehörige sollte sich hier ein Imperativ wenden? 
Aus dieser und ähnlichen Vertragsbestimmungen erwächst nur 
für die Staatsgewalt als solche eine Verpflichtung. Und im Grunde 
verhält es sich so mit jeder anderen Vertragsbestimmung. Auch 
in allen anderen Fällen wird durch die Ratifikation nur der 
Staat verpflichtet, wie es ja auch bei der Sanktion der Gesetze 
der Fall ist. Erst die Publikation kann jene Bestimmungen, 
welche potentiell Normen für dieselben enthalten, zu Verpflichtun- 
sen für dieselben erheben. Aber Publikation und Ratifikation 
sind zwei gänzlich verschiedene Vorgänge. Die Staatsgewalt als 
solche ist bereits durch die Ratifikation gebunden. Die Publi- 
kation, wo sie überhaupt möglich und nötig ist, gehört völker- 
rechtlich bereits zur Ausführung des Vertrages !?.* 
Wir müssen uns vornehmlich gegen den ersten Satz dieser 
Ausführung wenden. Der Akt, durch welchen der Staat den 
Vertrag schliesst, ist nicht die Ratifikation, sondern deren Aus- 
wechselung. Die Ratifikation ist die Unterzeichnung des Vertrags- 
instrumentes durch den Kaiser; dem Mitkontrahenten gegenüber 
wird eine Willenserklärung aber erst dadurch abgegeben, dass 
ihm das mit der kaiserlichen Unterschrift versehene Instrument 
überreicht wird. Dieser letztere Akt hat immer die nämliche 
Bedeutung: er begründet die völkerrechtliche Verpflichtung des 
Staates. Ihn meint JELLINEK in Wahrheit, wenn er von der 
——— 
  
18 JELLINER a@. a. O. S. 55—56.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.