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letzteres ein Vertrags-, kein Ausführungsgesetz ist. Alsdann
pflegt die Zustimmung des Bundesrates und die Genehmigung
des Reichstages vor Austausch der Ratifikationen eingeholt zu
werden. Der Verkündigung des Vertragsgesetzes steht mithin
nichts im Wege, sobald der Vertrag perfekt geworden ist. Ueber
eine unnötige Verzögerung desselben könnte der Mitkontrahent
sich beschweren. Er wäre aber, wie gesagt, nicht zu der
Forderung berechtigt, dass der Anfangstermin der Wirksamkeit
des Vertragsgesetzes früher angesetzt werde, als es in Art. 2 der
Reichsverfassung vorgeschrieben ist; er müsste ja auch zufrieden
sein, wenn der Entwurf des Vertragsgesetzes dem Bundesrate
und dem Reichstage erst nach Auswechselung der Ratifikationen
unterbreitet würde. Ein solches Verfahren wird vom Standpunkte
des Reichsstaatsrechts aus allgemein gemissbilligt. Unseres Er-
achtens ist die nachträgliche Vorlegung an den Reichstag zulässig,
falls der Vertrag unter Vorbehalt seiner Genehmigung ratifiziert
wird. Die Erfüllung dieser Bedingung ist allerdings wesentlich;
sonst kann die völkerrechtliche Verbindlichkeit unter Berufung
auf die vom Reichstag ausgesprochene Versagung der Genehmigung
unserer Ansicht nach später nicht in Abrede gestellt werden;
das Deutsche Reich hat sich dann unbedingt zum Erlass des
Gesetzes verpflichtet. Das soll es aber nicht ohne Zustimmung
des Bundesrats und Genehmigung des Reichstages. Deshalb
muss die Genehmigung des letzteren vor Auswechselung der
Ratifikationen eingeholt oder dieser Akt unter Vorbehalt vor-
genommen werden. Dem wurde auch genügt beim Austausch der
Ratifikationen des vom Reichstage noch nicht genehmigten,
deutsch-Öösterreichischen Handelsvertrages vom 16. Dezember 1878;
der Staatsminister von Bülow hat das im Reichstage ausdrücklich
erklärt ?°.
25 PRESTELE, Die Lehre vom Abschluss völkerrechtlicher Verträge durch
das Deutsche Reich und die Einzelstaaten des Reiches, München 1882, S. 95
bis 96, Vgl. die Denkschrift zur deutsch-österreichischen Uebereinkunft