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Beschlussfassung über die Vornahme dieses Aktes muss das
Staatsoberhaupt aber daran denken, dass der Staat mit dem
Inkrafttreten des Vertrages auch in der Lage sein muss, die
übernommene Pflicht zu erfüllen. Die hierzu notwendigen Vor-
bereitungen sind also vorher zu treffen; die Verpflichtung ist hier
eben eine andere, als die früher besprochene. Formell ist noch
Folgendes zu bemerken: Die Bestimmung über das Inkrafttreten
des Vertrages an einem bestimmten Tage bildet auch einen Teil
des Vertragsgesetzes. Ihre Bedeutung im Vertrage aber besteht,
wie wir soeben zeigten, darin, dass auch die entsprechenden Gesetze
am nämlichen Tage wirksam werden sollen. Wird diese Vertrags-
bestimmung in eine Norm des Vertragsgesetzes umgewandelt, so
kann sie in letzterem nur besagen: das Vertragsgesetz tritt an
jenem Tage in Kraft. In dem Vertragsgesetze wird in diesem
Falle also ein besonderer Anfangstermin festgesetzt; die in Art. 2
der Reichsverfassung ausgesprochene allgemeine Regel ist nicht
anwendbar.
Wie jedes Reichsgesetz erhält aber auch das Vertragsgesetz
verbindliche Kraft erst durch die Verkündigung im Reichsgesetz-
blatt. Erfolgt sie vor dem bezeichneten Anfangstermin, so ist
das Inkrafttreten an diesem Tage keinem Zweifel unterworfen.
Der deutsch-österreichische Handelsvertrag vom 6. Dezember 1891
wurde als Vertragsgesetz in dem zu Berlin am 31. Januar 1892
ausgegebenen Stücke des Reichsgesetzblattes verkündigt”®. Das
Vertragsgesetz hat also am 1. Februar 1892 verbindliche Kraft
erlangt. Eine Schwierigkeit entsteht erst dann, wenn die Ver-
ündigung nach jenem Termine erfolgt. So ist der Vertrag vom
23. November 1870, betreffend den Beitritt Baierns zur Ver-
fassung des Deutschen Bundes in dem zu Berlin am 31. Januar 1871
ausgegebenen Stücke des „Bundesgesetzblattes des Deutschen
Bundes“ verkündigt worden ?”, der Vertrag aber ıst nach Art. 6
2» R.-G.-Bl. Nr. 2 8. 8.
2? R.-G.-Bl. 1871, Nr. 5 8. 9.