Full text: Archiv für öffentliches Recht.Zwölfter Band. (12)

— 1714 — 
aufgehoben wird. Genügt ein gewöhnliches Reichsgesetz oder 
bestehen besondere Erfordernisse? In den Vereinigten Staaten 
von Nordamerika hat man sich die Frage vorgelegt, in welchem 
Verhältnis das Vertragsrecht des Präsidenten unter Mitwirkung 
des Senats und das Gesetzgebungsrecht des Kongresses zu ein- 
ander stehen. „Diese Frage“, sagt von Houst, „ist dahin be- 
antwortet worden, dass sie einander koordiniert sein müssen, da 
Verträge wie Gesetze ‚Souveränetätsakte‘ sind, die sich nur in 
der Form und hinsichtlich der Organe, durch die der souveräne 
Wille zum Ausdruck gelangt, von einander unterscheiden. Aus 
diesem Grundsatze folgt, dass sowohl ein Gesetz durch einen 
Vertrag, als auch umgekehrt ein Vertrag durch ein Gesetz auf- 
gehoben werden kann. Stehen ein Vertrag und ein Gesetz in 
Widerspruch mit einander, so ist mithin das Datum dafür ent- 
scheidend, ob dieses oder jener als aufgehoben anzusehen ist?3.“ 
Housrt fügt hinzu: „Weder der Grundsatz, noch die Folgerichtig- 
keit der Schlüsse kann wohl angefochten werden und jedenfalls 
sind sie das geltende Verfassungsrecht.* Er verschliesst sich in- 
dessen nicht der Erkenntnis, dass jener Grundsatz zu bedenklichen 
Folgerungen führen kann. 
Soweit ich sehe, ist es auch in Deutschland nicht in Zweifel 
gezogen, dass das Vertragsgesetz durch ein gewöhnliches Reichs- 
gesetz aufgehoben werden kann. Man muss sogar zu dieser An- 
sicht gelangen, wenn man der herrschenden Lehre über die Ent- 
stehung des Vertragsgesetzes beipflichte. Genügt hierzu ein 
übereinstimmender Beschluss von Bundesrat und Reichstag, so 
reicht derselbe auch zur Ausserkraftsetzung hin. Trotzdem hat 
sich die deutsche Wissenschaft eine Folgerung nicht angeeignet, 
welche die amerikanische aus dem Grundsatz gezogen hat. Stehen 
ein Vertragsgesetz und ein anderes Reichsgesetz in Widerspruch 
# v. Houst, Das Staatsrecht der Vereinigten Staaten von Amerika 
(MARQuAarRDsens Handbuch IV 1,3) Freiburg i. B. 1885, S. 109. Vgl. JELLINEK, 
Gesetz und Verordnung, Freiburg i. B. 1887, S. 365.
	        
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