— 179 —
halb zur Ausfertigung und Verkündigung des Deine Rechte ver-
letzenden Gesetzes verpflichtet; es thut mir aber ausserordentlich
leid. Würde der Mitkontrahent mit einer solchen Erklärung zu-
frieden sein? Würde er nicht auf Vertragserfüllung bestehen und
(renugthuung wegen zeitweiliger Nichterfüllung fordern, eventuell
zu Repressalien schreiten? Wer eine rechtliche Verpflichtung
zwischen Staaten überhaupt nicht anerkennt, der wird freilich die
hier hervorgehobenen Schwierigkeiten leicht hinwegräumen.
Ein Vertragsgesetz kann demnach nur unter Zustimmung
des Kaisers aufgehoben werden. Legt er sein Veto ein, so kommt
das beabsichtigte Gesetz nicht zu stande. Seine Zustimmung
wird aber aus der Ausfertigung und Verkündigung des betreffenden
Reichsgesetzes ersichtlich. Das mag auffallend erscheinen, denn
hiernach unterscheidet sich das mit Zustimmung des Kaisers zu
stande gekommene (zesetz äusserlich in keiner Weise von dem
ohne sie perfekt gewordenen. Es ist indessen folgendes zu be-
denken: nach den früheren Ausführungen wird das Vertragsgesetz
durch kein Reichsgesetz aufgehoben, welches sich diese Kraft
nicht ausdrücklich beilegt. Ein Gesetz, in welchem die ent-
sprechende Bestimmung fehlt, bedarf deshalb der kaiserlichen Zu-
stimmung nicht, aber es kann ein älteres Vertragsgesetz weder
ganz noch teilweise ausser Kraft setzen nach dem Grundsatze
lex posterior generalis non derogat priori special. Hebt ein
Gesetz dagegen das Vertragsgesetz expressis verbis auf oder be-
stimmt es z. B.: Die Rechtsverhältnisse der Angehörigen des
Staates A (d. h. des Mitkontrahenten) sollen fortan so und so
geregelt werden, so muss dieses vom Kaiser ausgefertigte und
verkündete Gesetz auch seine Zustimmung gefunden haben, sonst
hätte er sein Veto einlegen, Ausfertigung und Verkündigung unter-
lassen müssen. Demgemäss hat der Kaiser jedes ihm zur Aus-
fertigung und Verkündigung unterbreitete Gesetz auf seinen In-
halt hin zu prüfen. Dieser Arbeit muss er aber schon aus anderen
Gründen sich unterziehen; denn er hat festzustellen, ob es eine