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vor, dass die Anführung weiterer Beispiele füglich unterbleiben
kann.
Die LaBAnnsche Theorie ist also durch AFFoLTERsS Einwand
keineswegs entkräftet; sie ist aus einem ganz anderen Grunde zu
bekämpfen. Wäre es richtig, dass Bundesrat und Reichstag dem
Kaiser ihre Befugnisse zur Mitwirkung bei der Aufhebung eines
Vertragsgesetzes delegieren, so würde dies voraussetzen, dass
das Vertragsgesetz durch Kündigung des Vertrages, d. h. durch
Eintritt des „dies“, bezw. der Bedingung, nicht hinfällig würde,
sondern erst durch ein neues Gesetz ausser Kraft gesetzt würde.
Wozu bedürfte es sonst einer Delegation? Dann dürfte LABANnD
aber „die jetzt bestehende Praxis, dass das Erlöschen der ver-
bindlichen Kraft von Staatsverträgen im Reichsgesetzblatt gar
nicht verkündigt wird,“ aber nicht „als eine grosse Unordnung“
bezeichnen‘®; er müsste vielmehr sagen: trotz Kündigung vieler
Verträge sei noch kein Vertragsgesetz des Deutschen Reiches
ausser Wirksamkeit getreten, weil der Kaiser von der ihm de-
legierten Befugnis zur Aufhebung noch nie Gebrauch gemacht
habe; denn diese Befugnis kann er nur durch Verkündigung
einer Verordnung im Reichsgesetzblatt ausüben; das bedarf doch
keiner Ausführung!
Schliesslich wird im vorliegenden Falle aber überhaupt keine
Delegation erteilt. Die Klausel über die Kündigung und even-
tuelle Verlängerung ist zunächst Bestandteil des Vertrages, des
völkerrechtlichen Rechtsgeschäfts. In diesem wird nichts darüber
vereinbart, ob die Kündigung des Vertrages vom Kaiser allein
oder unter Zustimmung von Bundesrat und Reichstag vorzu-
nehmen sei. Formell hat sie stets vom Kaiser auszugehen; das
ist selbstverständlich. Ob dieser sich vorher der Genehmigung
der gesetzgebenden Faktoren versichern müsse, ist eine Frage
keit in Bosnien und in der Herzegowina (R.-G.-Bl. S. 146) und die Kaiser-
liche Verordnung vom 23. Dezember 1880 (R.-G.-Bl. S. 191).
66 T,aBanD, 3. Aufl. S. 636 A. 1.
Archiv für öffentliches Recht. XII. 2. 13