Full text: Archiv für öffentliches Recht.Zwölfter Band. (12)

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Oberbefehlshaber des Heeres und der Flotte ableiten lassen; das 
Recht der Retorsion und der Repressalien lege ihm die Verfassung 
nirgends bei; Massregeln wie Ausweisung von Fremden, Beschlag- 
nahmen u. dgl. stehen nicht ihm zu, sondern den Landesregierungen®®, 
Das Recht der Retorsion mag dahingestellt bleiben, denn von 
dem ordnungsmässigen Wege abgesehen, können Staatsverträge 
nur zu Repressalienzwecken aufgehoben werden. Was diese letz- 
teren anlangt, so vertritt HAENEL eine der SEYDELschen diametral 
entgegengesetzte Ansicht: nur das Reich, aber kein Einzelstaat 
soll zur Ergreifung von Repressalien gegen fremde Staaten be- 
fugt sein®!. Eines Eingehens auf das Prinzip wird es an dieser 
Stelle nicht bedürfen, denn es handelt sich um eine Angelegen- 
heit, welche zweifellos zur ausschliesslichen Kompetenz des Reiches 
gehört: die Ausserkraftsetzung eines vom Deutschen Reiche ge- 
schlossenen Staatsvertrages. Diese Massregel kann nur vom 
Deutschen Reiche, nicht von Grliedstaaten ergriffen werden. Es 
kommt also lediglich in Frage, welches Reichsorgan, bzw. welche 
Reichsorgane sie vorzunehmen haben. Und da sind wir der Mei- 
nung, sie gehöre zur völkerrechtlichen Vertretung des Reiches 
und stehe dem in dieser Hinsicht nicht beschränkten Kaiser zu. 
Gewiss kann der Kaiser durch einen staatsrechtlichen Befehl 
— eine Verordnung — das Vertragsgesetz nicht aufheben; wohl aber 
kann er den Vertrag aus völkerrechtlichen Gründen völkerrechtlich 
ausser Kraft setzen; und damit wird unserer Ansicht nach das Ver- 
tragsgesetz ohne weiteres hinfällig. Deshalb ist es, wie schon her- 
vorgehoben, auch ohne Bedeutung, ob die völkerrechtliche Handlung 
vom deutschen Kaiser oder vom Mitkontrahenten ausgeht. Durch 
seine Willensäusserung kann dieser das deutsche Vertragsgesetz 
nicht hinfällig machen. Ob dasselbe zugleich mit demVertrage ausser 
Kraft tritt oder nicht, ist eine Frage des deutschen Staatsrechts. 
°° SeypEL, Kommentar zur Verfassungsurkunde für das Deutsche Reich, 
Würzburg 1873, S. 119. 
81 HaEnEL, Deutsches Staatsrecht, Bd. I, Leipzig 1892, 8. 552ff.
	        
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