Full text: Archiv für öffentliches Recht.Zwölfter Band. (12)

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Staatswesens in einem anderen das Bürgerrecht erhielten; die 
Bürger der sog. Kleruchenstaaten waren gleichzeitig athenische 
Vollbürger: Plato und Epikur, obwohl nicht in Athen geboren, 
waren zugleich Bürger Athens und ihrer Heimathstaaten Kollytos 
und Garyttos ®®. 
Ebenso konnte man nach fränkischem Recht gleichzeitig Unter- 
than zweier Herrscher sein. Die Angehörigen eines Theilreichs 
waren nicht Fremde in den anderen, welche auf den Königsschutz 
angewiesen gewesen wären; ja ganze Städte und ganze Gebiete 
verblieben oft im gemeinsamen Besitze der theilenden Könige®”. 
Im späteren Mittelalter machte bei der Durchsetzung aller Ver- 
hältnisse mit den Grundsätzen der Feudalität die Staatsangehörig- 
keit gar keinen Unterschied mehr. Es gab nur noch eine herr- 
schende und eine dienende Klasse, von denen die Ersteren ganz 
in das Lehnsverhältniss übergetreten waren. Die Stelle der Na- 
tionalität hatte die Vasallität eingenommen. Die Feudaladligen 
waren nirgends Fremde, sie genossen überall die gleichen Rechte 
und waren daher in allen Staaten Bürger. Vasall mehrerer 
Fürsten zugleich zu sein, war nichts Besonderes. Die Geschichte 
weist manche Beispiele auf: die Grafen von Flandern waren lange 
Zeit Vasallen des Königs von Frankreich und des Deutschen 
Kaisers”. Zeitweise traten sie sogar noch in ein drittes Treu- 
verhältniss zum Könige von England. Merkwürdig in ihrer Art 
sind die beiden Verträge, welche sie mit dem Letzteren 1101 und 
1163 abgeschlossen hatten: der Graf von Flandern versprach 
darin dem englischen Herrscher, ihm Beistand gegen jedermann, 
® BoEcKH, Staatshaushaltung der Athener, 2. Ausgabe 1851 I, S. 560 
bis 6563. 
°” BRUNNER, Deutsche Rechtsgeschichte 1892 II, S. 26. — FoLLEVILLE, 
Trait& theorique et pratique de la naturalisation, Paris 1880, S. 33 ff. 
3° LAURENT, Etudes sur l’histoire .de l’humanite VII, S. 849, 850. 
#2 Die Grafen von Flandern wurden 862 von Karl dem Kahlen und 
1007 durch den Vertrag von Valenciennes mit dem sog. Reichsflandern von 
Heinrich U. belehnt.
	        
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