Full text: Archiv für öffentliches Recht.Zwölfter Band. (12)

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Zusicherungen ertheilt, wie er sich gewissen, in Aussicht stehenden Gesetzes- 
vorlagen gegenüber verhalten werde, und in welcher er sich für den Fall des 
Zuwiderhandelns zur Niederlegung des Mandats verpflichtet. Wenngleich 
dadurch kein Mandat im juristischen Sinn begründet wird, so entsteht doch 
eine moralische Verpflichtung des Deputirten, sich an die Vereinbarung, 
welche er mit dem Wahlcomite getroffen hat, zu halten, und die Erfüllung 
dieser Pflicht ist durch das politische Ansehen und die Ehre des Deputirten 
gesichert. Das imperative Mandat besteht daher ungeachtet des gesetzlichen 
Verbots. Der Verf. sucht aber ferner darzutbun, dass es nicht bloss den 
politischen Bedürfnissen der Wähler, sondern auch dem Grundsatz der Volks- 
souveränetät entspricht. Nach der Ansicht von Rousseau, SıEeYks und 
anderer geistiger Führer der Revolution ist die Volkssouveränetät identisch 
mit dem allgemeinen Volkswillen, welcher untheilbar und unübertragbar sei. 
Aus der Untheilbarkeit des Willens hat man abgeleitet, dass die einzelnen 
Wahlkörper nicht als Theile der Nation ihren besonderen Willen haben und 
geltend machen können, sondern dass nur die gesammte Nation einen ein- 
heitlichen Willen habe, die Deputirten daher Vertreter des ganzen Volkes 
sein müssen und nicht durch den Willen eines Theils des Volkes, durch 
dessen Wahl sie als Volksvertreter berufen sind, in ihrer Funktion gebunden 
werden können. Der Verf. führt dagegen aus, dass jede Eintheilung des 
Volkes in Wahlkörperschaften und die Wahl der Deputirten durch dieselben 
dem Prinzip der Untheilbarkeit des Volkswillens widerspreche. Ist dieser 
Wille ein einheitlicher und untheilbarer, so kann nicht die Wählerschaft 
eines einzelnen Distrikts diesen Willen durch Wahlen zur Geltung bringen, 
sondern die ganze Nation müsste einen einzigen Wahlkörper bilden, was 
thatsächlich unmöglich sei. Einntweder widerspreche daher die Wahl von 
Deputirten in Wahlkreisen, auch ohne imperatives Mandat, dem Grundsatz 
der Untheilbarkeit der volonte generale, oder der Grundsatz von der Untheil- 
barkeit sei in dem von RoussEau und SıErks aufgestellten Sinne falsch und 
unhaltbar. Der Verf. erklärt sich für die letztere Alternative und weist die 
aus der Untheilbarkeit des Volkswillens gezogenen Folgerungen zurück. 
Wenn alle Vollbürger an der Volkssouveränetät betheiligt sind, so brauchen 
sie, meint er, dieselbe nicht in ungetheilter Gemeinschaft auszuüben, sondern 
so wie sich Miteigenthümer auseinandersetzen und jedem Einzelnen die aus- 
schliessliche Ausübung des Eigenthums an einem Theil einräumen können, 
so können auch die Wahlberechtigten eines Distrikts die Befugniss haben, 
allein und mit Ausschluss aller anderen Wahlberechtigten einen oder mehrere 
Deputirte zu wählen, indem sie dafür auf ihre Theilnahme an der Wahl der 
übrigen Volksvertreter verzichten. Da die Gesammtausübung des Gesammt- 
wahlrechts der Nation thatsächlich nicht möglich sei, so müsse sie nach 
territorialer Abgrenzung auf die Wähler der Wahlkreise vertheilt werden, 
und wenn dies mit der Theorie von der Untheilbarkeit des Volkswillens in 
Widerspruch stehe, so sei diese Theorie eben unrichtig.
	        
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