Full text: Archiv für öffentliches Recht.Zwölfter Band. (12)

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und ihre Geschäfte besorgen, so wie es ja auch nicht nöthig ist, dass sich 
zu einer Bundesraths-Sitzung 17 preussische und 6 bayrische Bevollmächtigte 
einfinden. Es genügt ja vollkommen, wenn das stimmführende Fraktions- 
mitglied anwesend ist, und selbst dieses kann in Verhinderungsfällen den 
Stimmführer einer befreundeten Fraktion mit der Vertretung bei der Ab- 
stimmung beauftragen. Durch das imperative Mandat ist ja die persönliche 
Ansicht des einzelnen Abgeordneten eliminirt und das Gesammtvotum der 
Partei an ihre Stelle getreten. Bis zu einem gewissen Grade hat das Frak- 
tionswesen ja schon jetzt ähnliche Zustände hervorgerufen. 
Man muss aber noch einen Schritt weitergehen. Mit dem Prinzip des 
imperativen Mandats steht die Wahl durch die Majorität der einzelnen 
Wahlkreise in Widerspruch. Der gewählte Abgeordnete vertritt nur so 
viele Staatsbürger, als er auf Grund seines Programms Stimmen bekommen 
hat; alle, die sich durch ihre Abstimmung gegen sein Programm erklärt 
haben, können ihm doch nicht den Auftrag geben, diesem Programm gemäss 
im Parlament zu stimmen. Die zufällige Gruppirung und Stärke der Par- 
teien in den einzelnen Wahlkreisen kann nicht dafür maassgebend sein, welche 
Staatsbürger ihren Antheil an der Souveränetät ausüben können, weil sie in 
der Majorität sind, und welche von der Ausübung ausgeschlossen werden, 
weil sie bei der Wahl des Deputirten überstimmt worden sind. Wenn das 
Programm der einzelnen Parteien für das ganze Land dasselbe ist und jeder 
wahlberechtigte Staatsbürger seinen Antheil an Herstellung der volonte 
generale haben soll, so muss das ganze Land einen einzigen Abstimmungs- 
bezirk bilden und jede Partei im Parlament so viele Stimmen führen als der 
(Gresammtzahl der für sie abgegebenen Stimmzettel entspricht. Die letzteren 
brauchen ja alsdann gar keinen Namen zu enthalten; sie können rothe, 
schwarze, blaue Papierstreifen sein, durclı deren Gesammtzahl bestimmt wird, 
wie viele Stimmen das von einem Üentralwahlcomit&e ernannte Parteihaupt 
im Parlament führt. Aber auch das letztere ist entbehrlich; warum sollte 
nicht über wichtige Fragen der souveräne Staatsbürger selbst und ohne die 
Dazwischenkunft eines Vertreters seine höchsteigene Ansicht abgeben? So 
führt das imperative Mandat in seiner letzten Konsequenz zum Plebiszit 
oder dem obligatorischen Referendum, und in der That entspricht dem Ge- 
danken der Volkssouveränetät nicht die repräsentative Verfassung, sondern 
die unmittelbare Erklärung des Volkswillens durch eine einheitliche Ab- 
stimmung der Gesammtheit. Wird die definitive Entscheidung über wichtige 
Fragen durch eine unmittelbare Volksabstimmung gegeben, so verlieren die 
Vertretungskörperschaften ihre politische Bedeutung; sie verwandeln sich in 
Kommissionen von Vertrauensmännern der Parteien zur Vorbereitung und 
Abfassung der Gesetzentwürfe, zur Formulirung der dem Volke vorzulegen- 
den Fragen. Zwischen dem Verbot und der Zulassung des imperativen Man- 
dats liegt daher der Gegensatz zwischen der repräsentativen Verfassung und 
der unmittelbaren Demokratie. Laband.
	        
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