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mit allem Schein und leeren Phrasenthum gründlich aufräumt, und eine glän-
zende, fruchtbare Kombinationsgabe, welche letzten Endes erst zu einer wahr-
haften wissenschaftlichen Vertiefung und Bereicherung der Erkenntniss zu
führen vermag. In diesem Urtheil ist sich die Nachwelt, so viel auch im Ein-
zelnen abweichende Meinungen bestehen mögen, über den Schöpfer der ver-
gleichenden Rechtswissenschaft auf ethnologischer Basis — als diesen darf
man ihn ohne Ueberhebung bezeichnen — einig, es sei denn, dass überhaupt
die Berechtigung einer solchen, wesentlich auf dem Material der Völkerkunde
errichteten Wissenschaft in Zweifel gezogen wird.
Bremen. Th. Achelis.
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Dr. Rudolf Stammler, Professor an der Universität Halle a. S. Wirtschaft
und Recht nach der materialistischen Geschichtsauffas-
sung. Eine sozialphilosophische Untersuchung. Leipzig, Veit & Comp.,
1896. Gr. 8°. VIII u. 668 S. 14 Mk. Geb. 16 Mk.
Das vorliegende Werk ist ein philosophischer Protest wider die mate-
rialistische Geschichtsauffassung, welcher sich zu einer allgemeinen Sozial-
philosophie ausgestaltet und daher volle Beachtung der gelehrten Welt ver-
dient. In jene Kreise einzudringen, welche von den Lehren der materialisti-
schen Geschichtsauffassung (EngELS, Marx) heutigen Tages durchsetzt sind,
ist das Werk nicht geeignet und wohl auch nicht für diesen Zweck ge-
schrieben; es ist für diese Volksschichten unverständlich, ja mehr noch, ver-
wirrend.
Es ist keine leichte Aufgabe, über dieses reichhaltige Werk, welches
so viele Probleme von höchster und praktischer Bedeutung aufwirft und deren
Lösung in analytischer Weise versucht, so zu berichten, dass dadurch ein
Bild gegeben werde, welches dem Leser eine richtige Vorstellung über die
Absichten des Verf. und über die Gestaltung seines Werkes zu vermitteln
vermag.
Der Leitfaden, den der Referent zur Erfüllung dieser Aufgabe als den
geeignetsten hält, ist die Vergleichung der vorwiegend philosophischen Unter-
suchungen des Verf. mit der Methode und den Ergebnissen der exakten
Schule der Sozialwissenschaften, wie sie, durch CaruL MENGER begründet,
namentlich in Oesterreich so erfreuliche Fortschritte gemacht hat. Diese Ver-
gleichung ist um so dankenswerter, als sie die Hauptgesichtspunkte des
STAMMLERSchen Werkes in gedrängter Form aus seinem grossen Umfange
herauszuschälen gestattet.
Der Verf. stellt sich nicht in prinzipiellen Gegensatz zu der exakten
Schule der Sozjalwissenschaften, wiewohl er ihrer auch nicht Erwähnung
thut. Im Gegenteile, es ist unschwer darzuthun, dass die Sozialphilo-
sophie STAMMLERS die exakte Sozialwissenschaft zu unterstützen, ja zu er-
gänzen strebt.