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durch die Lehre von der Einheit des sozialen Lebens zu Leibe
rückt.
Freilich ist STAMMLERS Werk auch nicht frei von einem, gewiss nicht
beabsichtigten Anreiz zum Widerspruche für diejenigen, welche, unvertraut
mit der exakten Schule der Sozialwissenschaften, lediglich den weitausgrei-
fenden Auseinandersetzungen des Verf. folgen. Namentlich gilt dies von der
für den nicht sehr aufmerksamen Leser unerklärlichen Rechtstheorie, dass
es wohl viele tausend Jahre her sei, als das Recht auf der Erde erschien
(S. 305). Ich habe diesem sehr misszudeutenden Satze vorweg die richtige
Deutung gegeben, indem ich gleich anfangs von der Unterscheidung des echten
oder ideellen Rechtes, von dem Gewohnheits- und positiven Rechte gesprochen
habe. STAMMLER meint hier das konventionelle Recht, das Gewohnheits-
oder positive Recht; denn das ideelle Recht war immer, es erschien mit der
Menschheit zugleich, es ist der Begriff für ein Ideal und einen idealen Zu-
stand.
Ich bin mir sehr wohl bewusst, den Inhalt des STAMMLERschen Buches
in dieser kurzen Besprechung kaum skizziert zu haben, andererseits hoffe ich,
dass das vorstehende Referat der Veranschaulichung des Buches besser dient,
als selbst die vollständigste Inhaltsangabe.
Eduard August Schroeder.
Dr. Ernst Neukamp, Entwickelungsgeschichte des Rechtes, I. Band.
Einleitung in eine Entwickelungsgeschichte des Rechtes. Berlin, Carl
Heymanns Verlag, 1895. Gr. 8°. XXIl u 1928. 5 Mk.
Es ist wohl nicht zu zweifeln, dass das nunmehr seiner Vollendung nahe
vierbändige Werk „Entwickelungsgeschichte des Eigentums* von Lupwıe
Feuıx®, dessen erster Band bereits im Jahre 1883 erschienen ist, die An-
regung zu dem Werke NEUKAMPS, dessen erster Teil nun vorliegt, gegeben
hat, wenngleich auch das im Nachlasse IHERINas vorgefundene Manuskript
einer begonnenen grossen Arbeit unter dem Titel „Entwickelungsgeschichte
des römischen Rechts“ nicht ohne Einfluss auf den Entschluss der Heraus-
gabe und vielleicht auch auf die Form des Buches geblieben sein mag.
Wie der erste Band des Feuixschen Buches nicht geeignet war, ein
Urteil über das ganze Werk zu geben, ja gewiss zu einer falschen Beurtei-
lung” geführt hätte, so wäre es jedenfalls verfrüht, sich schon heute über
den Wert des — wie es scheint gross angelegten — Werkes NEUKAMPS zu
äussern.
5 Vgl. Graf MarzEeiL DESEWFFY, Beiträge zu einer Doktrin des mensch-
heitlichen Friedens und des allmenschlichen Rechtszustandes. (Pest 1861.)
® Leipzig 1883—1895. Verlag von Duncker & Humblot.
’ Vgl. „Deutsche Revue“ 1897. Februarheft. 8. 261.
Archiv für Öffentliches Recht. XII. 2. 20