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kann sie auch das Völkerrecht berühren. Aber darum ist die Frage
der Gültigkeit der Ehe nicht eine Frage des Staats- oder des
Völkerrechtes, sondern bleibt eine solche des Privatrechtes. Wie
sie sich nach den Grundsätzen des letzteren gestaltet, so müssen
Staats- und Völkerrecht sie annehmen. Wenn im Völkerrecht
der Fall vorkommt, dass ein Staat der Ehe eines anderen Staates
die Gültigkeit abspricht, so geschieht dies nicht, weil er etwa der
Meinung ist, es gebe eine völkerrechtliche Gültigkeit der Ehe,
die verschieden sei von der privatrechtlichen, sondern die Diffe-
renz wurzelt alsdann in einer Meinungsverschiedenheit über das
anzuwendende Privatrecht: der dissentirende Staat prätendirt die
Ehe nach seinem Privatrecht und nicht nach dem des anderen
Staates zu beurtheilen ?. Diesem Standpunkt muss auch Bayern
sich unterwerfen und muss demgemäss anerkennen, dass die Frage,
ob eine Ehe gültig ist oder nicht, eine Frage des Privatrechtes
ist, die nach dem Bürgerlichen Gesetzbuche zu entscheiden ist.
Es steht hier ganz ebenso, wie bei Verträgen, die gegen ein
polizeiliches Verbotsgesetz abgeschlossen sind. Die Frage, ob
sie gültig sind, ist keine Frage des Polizeirechts, sondern des
Privatrechts. Das Bürgerliche Gesetzbuch entscheidet die Frage
allerdings für die Regel dahin, dass ein Rechtsgeschäft, welches
gegen ein gesetzliches Verbot verstösst, nichtig ist ($ 134). Aber
für die Ehe gilt dieser Satz gerade nicht. Hier ist bestimmt:
& 1323. Eine Ehe ist nur in den Fällen der 88 1324
bis 1328 nichtig.
8 1330. Eine Ehe kann nur in den Fällen der $$ 1331
bis 1335 und des $ 1350 angefochten werden.
Es gilt also ausserhalb dieser Fälle der entgegengesetzte
Satz, dass nämlich Ehen, welche gegen ein Verbotsgesetz ge-
schlossen sind, gleichwohl gültig sind, und zwar gilt dieser Satz
kraft Reichsrechts, so dass Bayern an ihm nicht rütteln kann.
1% Vgl. HerFTER-GErFcKEn, Das europäische Völkerrecht 88 87, 88
S. 89, 91 (8. Ausg. 1888) v. Bar a. a. O. 8. 476 ff.