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Die „Einleitung“ NEUKAMmPsS in seiner „Entwickelungsgeschichte des
Rechtes“ verspricht im weiteren Verlaufe des Werkes nach zwei Richtungen
hin die Rechtswissenschaft zu bereichern, einmal für die von dem Engländer
Morsean nach dem Vorgange BacHoreEns betretene und von Post in so
dankenswerther Weise ausgebildete ethnologische Methode, Material beizu-
bringen und zu verarbeiten, dann aber auch im Sinne IHERINGs und nach
dem Muster dessen Werkes „Geist des römischen Rechtes“ die inneren und
äusseren Ursachen der positiven Rechtserscheinungen zu untersuchen und so
spekulativ bis zu der exakten Methode der Untersuchungen zu gelangen, um
endlich auf den Resultaten solcher Forschung einen Blick hinaussenden zu
können in das „Recht der Zukunft“.
Die weiteren Bände des Werkes werden darthun, ob der Verf. dieser
grossen und idealen Aufgabe gerecht zu werden vermag.
Eduard August Schroeder.
Conrad Bornhak, Allgemeine Staatslehre. Berlin, Carl Heymanns
Verlag, 1896. VIII u. 2588. Mk. 6.—.
Der Verfasser giebt uns, mehr vom historisch-politischen als vom
juristisch-konstruktiven Standpunkte aus, eine anschauliche und anregende
Darstellung allgemeiner Lehren des Staatsrechts; er behandelt den Begriff
des Staates, Entstehung und Zwecke des Staates, Monarchie und Republik,
Staatsgebiet und Staatsangehörigkeit, die Volksvertretung, die Funktionen
des Staates, Regierung, Rechtsprechung und Gesetzgebung, sowie die
Staatenverbindungen. Es enthält also das Werk diejenigen Gegenstände,
worüber sonst üblicherweise unter dem Titel Allgemeines Staatsrecht ab-
gehandelt wird. Der Verfasser verwirft aber den Begriff des Allgemeinen
Staatsrechts. Die Litteratur desselben sei bis in die neueste Zeit ein buntes
Gemenge von positivem Rechtsstoffe und politischen Forderungen und bilde
eine kleine Nachblüthe des Naturrechts. Die Aufgabe der Allgemeinen
Staatslehre sei hingegen: auf historisch-rechtsvergleichender Grundlage die
Staatswesen einer bestimmten Zeit und einer bestimmten räumlichen Kultur-
gemeinschaft einander gegenüber zu stellen und aus ihrem positiven Rechte
die gemeinsamen Züge und die wesentlichen Abweichungen zu entwickeln.
Referent kann darin nicht beistimmen, dass der Begriff des Allgemeinen
Staatsrechts dem Naturrecht angehöre, sofern man unter diesem Allgemeinen
Staatsrechte etwas anderes nicht versteht, als die juristische Erfassung und
dogmatische Vertiefung der gemeinsamen rechtlichen Erscheinungen, die sich
bei Betrachtung der verschiedenen konkreten Staatswesen ergeben. So wird
auch von Juristen, deren positive Richtung nicht angezweifelt werden kann,
der Ausdruck Allgemeines Staatsrecht anstandslos gebraucht; in seiner Ge-
schichte der Stagtsrechtswissenschaft spricht z. B. H. Ream „von einer wissen-