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schaftlichen Ergründung des positiven und des auf rechtsvergleichender Grund-
lage ruhenden allgemeinen Staatsrechts.“
Den Staat definirt der Verfasser als die aus eigenem Rechte bestehende
und von jeder höheren irdischen Macht unabhängige Herrschaft über Land
und Leute. Wir begegnen hier wie bei mehreren Schriftstellern einem Be-
griffe des „eigenen Rechts“. Es ist eine auffallende Thatsache, wie gerade
von Anhängern der positiven Richtung mit diesem eigenen, nicht aus der
Rechtsordnung des betreffenden Staates fliessenden, sondern gleichsam über
dem Staaate schwebenden Rechte operirt wird. Zur Erklärung des Staates
vermag dieser vage Begriff nichts beizutragen, da man doch nur die That-
sache hinstellen will, dass der unabhängige Staat von keinem anderen oder
höheren Gemeinwesen bindende Rechtsnormen empfängt.
Der Verfasser legt bei der Begriffsbestimmung des Staates das Schwer-
gewicht auf die Herrschaft, dessen Subjekt der Staat sei; Land und Leute
bilden Objekte dieser Herrschaft. Das Herrschaftsverhältniss am Lande sei
dinglicher Natur, es bedeute nicht nur die räumliche Ausdehnung für die
Wirksamkeit der Staatsgewalt, sondern ein Recht am Gebiete selbst. Aber
auch an den Staatsbürgern habe der Staat ein Herrschaftsrecht analog dem Ge-
waltrechte des Familienrechts. Es kann dieser Begriffsbestimmung des Staates
entgegengehalten werden, dass die Herrschaft nicht ein rechtliches Merkmal,
sondern nur die durch die Funktion des staatlichen Rechts zu Tage tretende,
rein äusserliche Erscheinung ist. Es fällt auch auf, dass der Staat, der aus
Herrschaft, Land und Leuten besteht, als Ganzes selbst wieder Subjekt eines
dieser Elemente, nämlich der Herrschaft ist und andererseits wieder als
ganzes die übrigen Elemente, Land und Leute zu Objekten hat.
Der Verfasser verneint die Möglichkeit von subjektiven Rechten der
Bürger gegenüber dem Staate, da letzterer rechtlich unbeschränkt sei; er
kommt so zur Verneinung Öffentlicher suhjektiver Rechte der einzelnen über-
haupt. Wenn auch darin beigestimmt werden kann, dass die Behauptung des
Vorhandenseins öffentlicher Rechte gegenüber dem Staate an einem logischen
Widerspruche leidet, so ist doch die Folgerung nicht zulässig, dass Öffent-
liche Rechte der Bürger gar nicht existiren, sondern es ist in zwingender
Weise anzunehmen, dass sich diese Rechte, wie Referent anderswo näher
ausgeführt hat, eben nicht gegen den Staat als solchen, sondern gegen die
Behörden desselben richten, die durch die staatliche Gesetzgebung den Pri-
vaten gegenüber verpflichtet werden.
Die absolute Monarchie sei begrifflich verfassungslos, und in der kon-
stitutionellen Monarchie sei die Verfassung das Werk der Monarchie. Vom
politischen Standpunkte aus mag diese Anschauung zutrefien, sie ist aber
gegenüber der juristischen Betrachtungsweise haltlos. Jedes Gemeinwesen
setzt nothwendigerweise eine Verfassung voraus; diese besteht allerdings nicht
immer in einer schriftlichen Urkunde, sondern kann auch in der thatsächlich
gehandhabten Organisation liegen. So besteht die Verfassung der absoluten
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