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Als Postulat stellt der Verf. schliesslich den Satz auf, „es möchte das
religiöse Leben in Zukunft auf Grund des freien Vereinsrechtes, wofür der
Staat zwingende Normativbestimmungen zum Zwecke der Wahrung seiner
und der Bürger Rechte und Interessen aufstellt, in den Kantonen neu ge-
regelt werden“. Leider hat der Verf. es unterlassen, dieses Postulat in
genügender Weise zu begründen, denn dasjenige, was er über das religiöse
Vereinsrecht und Versammlungsrecht beibringt, reicht hiezu nicht aus.
Und gerade auch der Umstand, dass er jetzt schon die Bistümer als „Ver-
eine oder Vereinsverbände“ betrachtet wissen will, würde eine einlässliche
Erörterung über die Bedeutung des sog. „freien Vereinsrechts* erfordern.
v. Salis.
Professor Dr. Fr. Meili, Der Staatsbankerott und die moderne
Rechtswissenschaft. Berlin, Puttkammer & Mühlbrecht, 1895.
IV u. 86 S. M. 1.60.
Der bekannte Internationalist führt in dieser Schrift, deren Inhalt den
Gegenstand eines Vortrages gebildet hat, aus: Der Staat steht bei seinen
Schuldverflichtungen unter den Sätzen des Rechts, näher des Privat-
rechts. Theoretisch hat der Privatmann wegen seiner Schuldforderungen
gegen den Staat, also auch gegen den auswärtigen Staat, die aus dem all-
gemeinen Rechte sich ergebenden Befugnisse. Praktisch kann hingegen der
Gläubiger eines wortbrüchigen auswärtigen Staates bis jetzt gar nichts
machen. Haben doch noch in der jüngsten Zeit eine Reihe von Staaten
ihre Schuldzahlungen einseitig willkürlich eingestellt oder verringert! In
Folge der enormen Vermehrung der Schulden aller Staaten und in Folge
der Ausbreitung der Kreise der Staatsgläubiger ist aber in der Jetztzeit die
thunlichste Sicherung der letzteren zu einem eminenten Öffentlichen Bedürf-
niss geworden. Desshalb bezeichet es M. als eine Aufgabe der modernen
Rechtswissenschaft und, indem er seine Ausführungen nicht ohne guten
Grund zunächst auf die sog. auswärtigen Schulden der Staaten beschränkt,
speziell der modernen Wissenschaft des internationalen Rechts, auf Abhilfe
hinzuwirken. M. verneint, dass die Rechtsgeschichte geeignete Mittel und
Wege hiefür an die Hand gebe. Die legale Haftpflicht, kraft deren im
Mittelalter die Einzelnen für Schulden ihrer Stastswesen hätten aufkommen
müssen, entspreche der modernen Rechtsauffassung von der Stellung der Indi-
viduen im und zum Staate nicht mehr und sei auch praktisch unvereinbar
mit den Anforderungen des internationalen Verkehrs der Jetztzeit. Auch
von den verschiedenen Formen völkerrechtlicher Repressalien, welche etwa
gegen einen Staat wegen Nichterfüllung seiner Schuldverpflichtungen an-
gewandt werden könnten, will M. im Grunde nichts wissen. Einiges mag
nach M., der sich hiebei an die Ausführungen der deutschen Börsenenqu£te-
kommission anlehnt, durch die Begründung einer gewissen Haftpflicht der
Emissionshäuser, durch die Aufstellung gewisser Voraussetzungen für die