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Unsere Hypothese ist die Ursache eines langjährigen Kon-
flikts zwischen Frankreich und der Schweiz gewesen *°. Trotz
mehrfacher Beschwerden der französischen Regierung hatten die
Schweizer Grenzkantone, vor allem Genf, in Masse französische
Familien naturalisirt, welche so ıhre Söhne der heimathlichen
Militärpflicht entziehen zu können glaubten. Während Frank-
reich sich weigerte, die Gültigkeit dieser Naturalisationen bezüg-
lich der minderjährigen Söhne anzuerkennen, hielt die Schweiz
ihrerseits an ihrer Auffassung fest. Erst 1879 kam die An-
gelegenheit in dem Vertrag vom 23. Juli zum Ausgleich. Der
Art. 1 dieses Abkommens bestimmt, dass die minderjährigen
Kinder eines in der Schweiz naturalisirten Franzosen bis zu
ihrem 22. Lebensjahr als französische Unterthanen betrachtet
werden sollen, ohne jedoch vor Ablauf desselben auf den ein-
heimischen Aushebungslisten geführt zu werden; im Laufe dieses
Jahres soll ihnen das Recht zustehen, für die schweizerische
Staatsangehörigkeit zu optiren **.
Auch zwischen Deutschland und Frankreich hat diese Frage
schon zu verschiedenen Malen Anlass zu einem diplomatischen
Schriftwechsel gegeben; so erst im Jahre 1892 5: ein in Frank-
reich geborener Sohn französischer Eltern hatte durch die im
Jahre 1874 in Deutschland erfolgte Naturalisation seines Vaters
gleichfalls die deutsche Staatsangehörigkeit erworben. Nach Er-
füllung seiner deutschen Dienstpflicht trat er 1892 in Pont-
a-Mousson in Privatdienste. Kaum hatte er jedoch französischen
Boden betreten, als er von den dortigen Gendarmen verhaftet
#3 Vgl. Rocvm 8. 26 u. ff. a. a. O0.
44 Art. 1 des Vertrags vom 23. Juli 1879: „pour regler la. nationalite
et le service militaire des enfants des Frangais naturalises suisses“ lautet:
„les individus dont les parents, Francais d’origine, se font naturaliser
suisses, et qui sont mineurs au moment de cette naturalisation, auront le
droit de choisir, dans le cours de leur vingt-deuxi&me annee entre les deux
nationalites francaise et suisse* (Weiss a. a. O. 8. 467).
45 Amtliche Quelle.