— 381 —-
ein lebhafter Kampf, ein Vorspiel des Kampfes, welcher später
im Reichstage bei der parlamentarischen Behandlung des Gesetz-
buchs zu beobachten war. Als dann die mit der Ausarbeitung
des zweiten Entwurfs beauftragte Kommission den Forderungen,
welche vom staatlich-bürgerlichen Gesichtspunkt aus an die Gesetz-
gebung über Ehescheidung zu richten sind, wenigstens zum
grösseren Teile Rechnung getragen und die von dem ersten Ent-
wurf den Vertretern des kirchlich-dogmatischen Charakters des
Eherechts eingeräumten Zugeständnisse beseitigt hatte, machte
sich die Kritik abermals und kaum minder lebhaft bemerkbar:
die publizistische und nicht minder die politische Vertretung
dieses Charakters erklärte ein Gesetzbuch, das auf einer solchen
Grundlage beruhe, welche für die Millionen der deutschen Katho-
liken unannehmbar sei, könne und dürfe nicht erlassen werden und
zu demselben Ergebnis gelangte man auf seiten der protestanti-
schen Orthodoxie, trotzdem hier die Unauflöslichkeit des ehe-
lichen Bandes nicht wie dort die Bedeutung einer religiösen, mit
dogmatischer Kraft ausgestatteten Satzung besitzt. Der Stand-
punkt, welchen das Gesetzbuch in den verschiedenen Stadien
seiner Entstehung zu der Frage einnimmt, ist ein durchaus ver-
schiedener, in dem einen Entwurf prävaliert die staatlich-poli-
tisch-bürgerliche, in dem anderen die kirchlich - dogmatisch-
religiöse Auffassung, die volle Konsequenz ist aber weder aus
der einen noch aus der andern gezogen worden und es enthält
daher das Gesetzbuch in dieser Materie einen von dem Bestreben,
die vorhandenen grundsätzlichen Gegensätze zu versöhnen und
auszugleichen, mindestens aber zu überbrücken, geleiteten Eklekti-
zismus, welcher es begreiflich erscheinen lässt, dass mit seinem
diesbezüglichen Inhalt die folgerichtigen Anhänger des einen
Prinzips ebensowenig zufrieden sind, wie die des andern; ob eine
die Konsequenzen des einen oder anderen Standpunktes ziehende
Regelung der Frage möglich war, ohne Gefährdung des Zustande-
kommens der Rechtseinheit, muss dahingestellt bleiben, die Ant-
Archiv für Öffentliches Recht. XII. 3. 95