Recht ist eine günstige, wohlwollende Aussage des Urhebers des
Rechtssatzes, resp. des Gesetzgebers für eine Person; diese Aus-
sage erscheint uns als rechtliche Wirkung mit selbstständiger
Existenz, weil wir der Positivität wegen diese Begünstigung und
die Ausübung derselben anerkennen.
Auf dieser subjectiven Färbung des Rechts beruht auch die
Unterscheidung zwischen Rechtsgeschäften und unerlaubten
Handlungen. Erstere sind vom Urheber des Rechtsgedankens
durchaus gebilligte Handlungen, während die unerlaubten Hand-
lungen solche sind, welche von ihm abfällig angesehen und des-
halb auch mit entsprechenden Folgen begleitet werden. Ein
Gesetz spricht z. B. nur ganz allgemein von unerlaubten Hand-
lungen; hier wird der Richter sich in die Seele, gleichsam in das
Gemüth des Gesetzgebers versetzen müssen, um die Frage be-
antworten zu können, welche Handlungen als missbilligte taxirt
werden sollen.
Das individualistische Moment des Rechts tritt ferner in den
Vordergrund bei Entscheidung von Fragen des internationalen
Rechts. Der Richter wird einen besonders ausgeprägten
Gedanken der nationalen Gesetzgebung zu Gunsten der
ausländischen Gesetzgebung nicht opfern (z. B. Ausschliessung
des Mäcklerlohnes bei Eheschliessungen, Unklagbarkeit der For-
derung aus Spiel und Wette, zeitliche Begrenzung des Dienst-
vertrages u. s. w.). Welche Rechtsgedanken aber dieses grund-
sätzliche Gepräge haben, sieht der Richter und Verwaltungs-
beamte nicht im Gesetzbuche; hier sind die Rechtssätze bloss an-
einander gereiht. Die prinzipiellen Rechtsgedanken werden nur
gefunden, wenn man dem individualistischen, subjectiven Momente
des Rechts nachgeht.
Die Thatsache, dass das Recht seinen Ursprung in der Seele
des Menschen hat, ist auch von prinzipieller Bedeutung für die
Methode der Rechtswissenschaft. Nicht die äussere sprach-
liche Erscheinung soll Gegenstand der wissenschaftlichen Behand-