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Für das Einführungsgesetz wurde als Ergänzung der Uiwvil-
prozessordnung die Aufnahme einer Vorschrift in Aussicht ge-
nommen, wonach das Gericht auf Scheidung wegen Geistes-
krankheit nicht erkennen dürfe, ohne über den Geisteszustand
des Beklagten einen oder mehrere Sachverständige gehört zu
haben. In der Reichstagskommission fand indessen diese, ge-
wiss nicht zu weitgehende und von dem Vorwurf einer überaus
ängstlichen Verklauselierung kaum freizusprechende Bestimmung
keinen Beifall, mit sehr erheblicher Mehrheit wurde in der
ersten und in der zweiten Lesung $ 1464 gestrichen, die Motive,
von welchen sich die Mehrheit hierbei leiten liess, waren im
wesentlichen dieselben, von welchen die Stellungnahme des
ersten Entwurfs zu der Frage beherrscht wurde, man behandelte
dieselbe unter dem Gesichtspunkte der grundsätzlichen An-
schauung, dass der Staat ein hervorragendes Interesse daran
habe, die Zahl der Ehescheidungen möglichst zu vermindern
und diesem grossen allgemeinen Interesse das individuelle zum
Opfer gebracht werden müsse, selbst wenn dies im Einzelfalle
nur unter Tragung erheblicher Leiden möglich sei; in diesem
Sinne hatte man schon vor der Befassung des Reichstags nıit
der Beratung des Entwurfs die Frage aufgeworfen, ob denn
der Staat nicht befugt sei, dem Einzelnen im Interesse der Be-
festigung der sittlichen Ordnung Opfer aufzulegen, da er keinen
Anstand nehme, ihm solche auch im Interesse der Erhaltung
der Wehrkraft und der kulturellen Entwickelung aufzuzwingen?
Die Antwort hierauf würde allerdings unzweifelhaft in bejahen-
dem Sinne zu geben sein, sofern die Voraussetzung richtig wäre,
dass die Befestigung der sittlichen Ordnung die künstliche Auf-
rechthaltung der innerlich gebrochenen Ehen erheischt; allein
dies lässt sich nicht zugeben, mit ungleich grösserer Berechtigung
wird man jener auf Grund der gemachten Erfahrungen den Satz
gegenüberstellen dürfen, dass die Auflösung einer Ehe, deren
Grundlage in sittlich-geistiger Beziehung in unheilbarer Weise