Full text: Archiv für öffentliches Recht.Zwölfter Band. (12)

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demselben Acte die drei Functionen, Production des Rechtsgrund- 
satzes, Positivitätserklärung und Anwendung auf einen bestimmten 
Fall liegen, kommt heutzutage wenig vor, ist aber durchaus mög- 
lich. Nehmen wir an, der Gesetzgeber eines Staates wolle ein 
bestimmtes Gewerbe monopolisiren: er beschliesst das Monopol 
und setzt zugleich für den oder die Inhaber des Gewerbes be- 
stimmte Entschädigungen aus; hier produzirt die Behörde den 
Rechtsgrundsatz der Entschädigung der Gewerbsinhaber bei Mono- 
polisirung, erklärt diesen Satz als anwendbar für das eingeführte 
Monopol (Positivitätserklärung) und wendet den Grundsatz wie 
ein Richter an, indem er eine Entschädigung fixirt *. 
Wenn das souveräne gesetzgeberische Organ nicht selbst 
Richter ist, sondern besondere Richter aufstellt, so sind diese 
letzteren nicht gesetzgeberisch, sondern nur richterlich thätig, sie 
haben die vom Gesetzgeber als anwendbar gewollten Rechtsgrund- 
sätze anzuwenden. Wenn nun der Souverän, bezw. der Gesetz- 
geber es unterlassen hat, ausdrücklich bestimmte, Rechtssätze als 
anwendbar zu erklären? Denken wir an die schweizerischen Ge- 
meinwesen, die als oberstes souveränes Organ die Landesgemeinde 
haben und es bis zur Stunde weder zu vollständigen Civilcodexen 
noch zu Strafgesetzbüchern gebracht haben. Hier tritt für den 
Richter die Frage auf, welche Grundsätze der Richter als an- 
wendbar aufgestellt haben oder aufstellen würde, wenn er sich 
damit befasst hätte oder befasste. Der Richter hat die Aufgabe, 
dem muthmasslichen Willen des Gesetzgebers nachzugehen °. 
* Die gleiche Erscheinung zeigt sich in den Klosteraufhebungsgesetzen 
einzelner schweizerischer Kantone, in welchen Gesetzen zugleich die Ent- 
schädigung an die Aehbte, Conventualen etc. fixirt sind. 
5 Der Richter ist der Beauftragte des Gesetzgebers. Als Mandatar hat 
er dem Willen des Gesetzgebers möglichst genau nachzukommen. ARNDTS 
bestimmt in seinen Pandecten $ 292 auf Grundlage von 1.5 und 46D. man- 
dati vel contra 17,1 die Verpflichtung des Mandatars folgendermassen: „er 
ist verpflichtet, den übernommenen Auftrag genau und sorgfältig zu erfüllen, 
mit Rücksicht auf die ihm gegebenen Anweisungen, und ausserdem so, wie 
es der Natur des aufgetragenen Geschäfts und dem Vortheile oder muth-
	        
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