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englischen barrister. Trotzdem sehen die Advokaten in
diesen Ländern den deutschen Rechtsanwalt nicht für
voll an, als Geschäftsmann stellen sie ıhn mit dem
agent daffaires und dem Solicitor auf eine Stufe®%.,
Häufig liest man, wie Solicitorfirmen, also Rechts- und Geschäfts-
agenten, in dem Annoncenteil deutscher Zeitungen sich als
Rechtsanwälte bezeichnen, ohne dass von Seiten unserer An-
waltskorporationen gegen diesen Missbrauch des Rechtsanwalts-
titels Verwahrung eingelegt wird. Der deutsche Rechtanwalt
muss, auch wenn er die Prozessprokuratur versieht, auf die
gleiche Stufe mit dem englischen und französischen Advokaten
gestellt werden. Dies verlangt nicht nur die Ehre des
deutschen Anwaltstandes, sondern auch der Rechts-
staat, dessen Existenz durch das Fehlen jedes Gegen-
gewichts gegenüber der übermächtigen Staatsanwalt-
schaft bedroht wird.
C. Vorschläge für die Reichsgesetzgebung.
I.
Vor allem wäre eine das ganze Reich umfassende Notariats-
ordnung zu erlassen. Die Zuständigkeit der Reichsgesetzgebung
zu einer solchen steht ausser Frage (Art. 4, Ziff. 12 u. 13 R.V.).
Nach Ziffer 12 gehören Bestimmungen über die Beglaubigung
von öffentlichen Urkunden zur Zuständigkeit der Reichsgesetz-
gebung. Es hat also das Reich zu bestimmen, ob und inwie-
weit die Gerichte oder die Notare zur Beglaubigung von Ur-
kunden berufen sind. Darin liegt auch die Zuständigkeit zum
Erlass einer Notariatsordnung. Sie liegt aber auch in der ge-
meinsamen Gesetzgebung über das gesamte bürgerliche Recht,
64 Becker, De la justice et des avocats en Baviere et en Allemagne.
Paris 1861, 8. 22. — Le Brrguier, Barreau moderne. Paris 1869, 8. 8.